Ruhrgebiet. Verdi führt neue Verhandlungen mit dem Arbeitgeberverband. Kommen die Parteien zu keiner Einigung, droht ein neuer Streik - ohne Notgruppen.
Tausenden Eltern an Rhein und Ruhr drohen bald noch weiter verschärfte Streiks der Erzieher an Kindertagesstätten. Sollten die Montag beginnenden Tarifverhandlungen zwischen Verdi und dem Kommunalen Arbeitgeberverband (VKA) scheitern, dann will die Gewerkschaft bei ihren Streikmaßnahmen ab Mitte Oktober keine Einrichtung von Notgruppen in den Kitas ermöglichen. „Wir werden zu unkonventionellen Mitteln greifen“, sagte Verdi-Sprecherin Martina Peil aus Essen der Funke-Mediengruppe. „Notgruppen werden dann nicht mehr eingerichtet.“ Mit den Notgruppen würde eine wichtige Ausweichmöglichkeit für Eltern wegfallen.
Verhandlungen beginnen von vorn
„Da sich die Arbeitgeber in den letzten Wochen stur gestellt haben und sich kein Stück auf uns zu bewegt haben, ist, beim aktuellen Stand, nicht mit einer Einigung zu rechnen“, sagt Verdi-NRW Sprecher Günter Isemeyer. Die Tarifverhandlungen waren am 13. August gescheitert. Vorausgegangen war ein Schlichterspruch im Juni diesen Jahres, der Einkommensverbesserungen zwischen 2 und 4,5 Prozent für die Beschäftigten im Erziehungs- und Sozialbereich vorsah.
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Von den Beschäftigten gefordert waren rund 10 Prozent. Damals hatten die Gewerkschaftsvertreter der Empfehlung zugestimmt, doch war das Ergebnis an ihrer Basis auf deutliche Ablehnung gestoßen. Nun rückt Verdi nach und kündigt beim Scheitern der Gespräche weitere Streiks an, die deutlich mehr schmerzen sollen.
"Die letzten, über vier Wochen andauernden Streiks waren für uns eher unbefriedigend. Und der eine oder andere Bürgermeister in finanziell schwachen Kommunen hat sich die Hände gerieben, weil die Gehälter durch die Streikkasse bezahlt wurde", sagt Detlef Sell vom Verdi-Verband Duisburg. Das soll sich nun ändern.
Notgruppen sollen diesmal wegfallen
"Uns geht es nicht um Prozente, sondern um Aufwertung und Anerkennung", betont Peil. Dabei kämpfe Verdi für eine Verbesserung für alle Berufsgruppen im Erziehungs- und Sozialbereich - für Erzieher, Sozialarbeiter und Pädagogen. Auch über Einstiegsgehälter der Berufsanfänger wolle man in diesem Rahmen diskutieren.
In der Vergangenheit wurden Erzieher, die nicht organisiert sind oder nicht mitstreiken, in die Notgruppen verteilt. "Wie das aussieht, wenn es keine Notgruppen gibt, weiß ich nicht. Das regeln die einzelnen Kommunen", sagt Günter Isemeyer von Verdi NRW. Erzieher, die nicht mitstreiken, werden erfahrungsgemäß nicht die alleinige Betreuung in Kleingruppen übernehmen können, meint er: "In den vergangenen Streikphasen wurde das Angebot nicht gut angenommen, weil viele Eltern ihre Kinder nicht in einen fremden Kindergarten in einen anderen Stadtteil bringen wollten. Da blieben die Kinder bei Freunden oder Familienmitgliedern.
"Verdi setzt deshalb auch auf die Masse der Streikenden und hofft, dass sich möglichst viele Erzieher beteiligen. "In einer Stadt wie Dortmund, sind wir sehr gut organisiert. Dort bestreiken wir die Kitas, in denen wir viele Mitglieder haben. So bleibt die komplette Einrichtung geschlossen", erklärt er die Strategie.
"Das ist für mich völlig unverständlich und unverhältnismäßig. Unter den betroffenen Eltern macht sich Entsetzen breit", sagt Dr. Bernhard Langenbrick vom Kommunalen Arbeitgeberverband in NRW. Bereits zwischen den Tarifrunden habe es ein Einkommensplus gegeben, nun nochmal zehn Prozent mehr zu fordern sei nicht zu rechtfertigen. "Der Streik wird letztendlich auf den Rücken der Eltern und Kinder ausgetragen", erklärt Langenbrinck.
Streikbereite Erzieher
Für die Verdi-Bezirksverbände scheint das der einzige Weg zu sein, ihre Forderungen zu untermauern. „Wenn keine Verbesserung der Schlichtungsempfehlung erfolgt, sind die Mitglieder streikbereit“, sagt Martina Steinwerth vom Verdi Bezirk Emscher-Lippe-Süd, der für Gelsenkirchen, Bottrop und Gladbeck zuständig ist. Eltern dort droht ein unbefristeter Streik. Und "es wird keine Notdienstvereinbarungen für Kitas geben", sagt der Bezirk. Mit Plakaten in den Kindertagesstätten bittet Verdi auch die Öffentlichkeit, ihre Forderungen zu unterstützen. So müssten auch die Kommunalpolitiker und Bürgermeister für eine Befriedigung des Konflikts sorgen.
Ähnlich sieht es in Oberhausen aus. "Bei uns ist die Streikbereitschaft sehr hoch und wir sehen die Bürgermeister durchaus in der Pflicht zu handeln", sagt Henrike Greven vom Verdi-Bezirk Oberhausen/Mülheim. Zum Hintergrund: In Oberhausen wurde am 14. September ein Beschluss getroffen, der den Oberbürgermeister auffordert, sich tatkräftig in den Verhandlungen einzusetzen, um weitere Streiks zu verhindern. Es sei in aller Interesse, die Verhandlungen am Montag und am Dienstag zu einem guten Ergebnis für alle zu bringen, sagt Verdi. Sollte es dazu aber nicht kommen, werden alle Erzieher und Sozialpädagogen streiken. Auch hier werden keine Notgruppen eingerichtet und die Eltern mit der Betreuung für die Streikzeit auf sich alleine gestellt sein.
Neue Streikstrategie soll zum Erfolg führen
Im Verdi-Bezirk Duisburg möchte man sich soweit noch nicht äußern. "Wir werden, falls es zu Streiks kommt, eine andere Streikstrategie führen, als bei den letzten Streiks", sagt Detlef Sell, Geschäftsführer. Was das genau heißt, wollte er öffentlich nicht nennen, aber es wird ebenfalls in die Richtung der anderen Bezirksvertretungen gehen. Auch wie viele Erzieher am Streik beteiligt sein werden, kann Detlef Sell noch nicht sagen. "Bei den letzten Streiks waren 600 bis 700 Erzieher dabei. Aber da es eine andere Streikstrategie geben wird, können die Arbeitnehmer selbst entscheiden, ob sie sich auch diesmal beteiligen, oder nicht."
Dass es keine Notgruppen geben wird, dafür spricht auch die Tatsache, dass es noch keine Gesprächen über die sogenannten "Notdienstvereinbarungen" zwischen Stadt und Verdi gegeben hat. Die Stadt sei noch nicht auf die Gewerkschaft zukommen, behauptet Verdi. "Normalerweise findet man sich vor einem Streik zusammen und stellt eine Vereinbarung zwischen den streikenden Positionen auf", erklärt Sell. Dabei gehe es darum, wer die Notgruppen betreut, wer bevorzugt behandelt wird, und welcher Bedarf da sei.
Die Stadt Duisburg entgegnet sie würde immer im ständigen Kontakt mit Verdi stehen. Außerdem hätte es auch in den Streikrunden zuvor keine "schriftlich fixierte und unterschriebene Notdienstvereinbarung" gegeben, sondern lediglich Gespräche zwischen Verdivertretern, dem zuständigen Personalrat und den Jugendamtsvertretern. "Letztlich hat die Stadt allen Elternteilen die eine Beschäftigung, ein Studium, eine Ausbildung oder Umschulung nachweisen konnten, einen Notplatz angeboten", so ein Stadtsprecher. Bei Bekanntwerden neuer Streiks werde die Stadt erneut über Einigungsmöglichkeiten mit Verdi diskutieren und die Ergebnisse den Eltern mitteilen, hieß es.
Verdi will Eltern informieren
Und auch Verdi will sich an die Elternräte der Kindergärten wenden. "Wir werden uns zusammensetzen und über mögliche Streikfälle diskutieren, um den Eltern ein klares Bild zu geben, was passiert und wo sie gegebenenfalls ihre Kinder betreuen lassen können", so Sell.
In Dortmund wurde die bestehende Notgruppenvereinbarung in der vergangenen Woche von Verdi gekündigt. "Neue Abschlüsse für einen Streikfall im Oktober gibt es bisher nicht", sagt Martin Steinmetz von Verdi Dortmund. Die Gewerkschaft werde den Arbeitgebern am Montag und am Dienstag die Chance geben, ohne Streiks zu einer Einigung zu kommen. "Parallel dazu bereiten wir uns aber auch auf den Arbeitskampf vor", so Steinmetz und meint damit einen Streik - auch ohne Notgruppen.
Der Verdi Bezirk Siegen-Olpe möchte zu den eventuellen Streiks und Einrichtungen von Notgruppen nichts sagen. Dort wird auf den NRW Verband verwiesen und die Verhandlungen in der kommenden Woche abgewartet.