Berlin. . Der Chef der Bundesanstalt für Arbeit gilt als Tausendsassa. Jetzt soll er auch die Flüchtlingskrise managen. Nun hat er erklärt, wie das gehen soll.
Die Woche der Entscheidung in der Flüchtlingspolitik lässt sich für Innenminister Thomas de Maizière nicht gut an. Am Sonntag schwächte die Koalition einen Gesetzentwurf von ihm ab. Die Sozialleistungen sollen doch nicht drastisch reduziert werden – die SPD hatte etwas dagegen. Am Montag musste der CDU-Mann seine Forderung nach Obergrenzen für Asylbewerber in Europa relativieren. Es sei ein „persönlicher Vorschlag“ gewesen, mithin eine „Vision“, die nicht bloß der SPD missfällt. Er hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auch nicht überzeugen können. „Das deutsche Asylrecht kennt keine Obergrenze“, zitierte er seine Chefin. Der Satz gilt.
Der heißeste Chefsessel, den Berlin derzeit zu bieten hat
Zuvor zeigte sich de Maizière immerhin an der Seite eines echten Hoffnungsträgers: Frank-Jürgen Weise, ab sofort neuer Leiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Der Auftrag ist klar. „Wir müssen schneller werden, wir müssen koordinierter arbeiten“, gab de Maizière vor. Daran wird seine Neuerwerbung gemessen. Es ist der heißeste Chefsessel, den die Regierung zu vergeben hat.
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Weise verdient keinen Cent zusätzlich. Sein Brötchengeber bleibt die Bundesagentur für Arbeit (BA), die angesichts des Flüchtlingsdramas faktisch zum Zweitjob abgestuft wird. Quasi zum Einstand bringt Weise einen Jahrgang von Bachelor-Studenten mit, die nach der Ausbildung bei der BA eigentlich in die Jobcenter gehen sollten. Das „beste Training“ für sie, so Weise, seien „sechs Monate im BAMF“.
Ein Tausendsassa, dessen Rat oft gesucht wurde
„Wir mussten uns nicht kennenlernen“, verriet der Minister. Tatsächlich ist Weise unter den Spitzenleuten der Verwaltung ein Tausendsassa, dessen Rat schon oft gesucht wurde. Mit Weise wird nach den Worten des Ministers „ein neuer Ansatz verfolgt“. Zum einen wird der gesamte Prozess analysiert. Weise hat dafür ein halbes Jahr Zeit. Zum anderen soll er offene Stellen beim BAMF schneller besetzen und mobile Teams aufstellen, die in den Erstaufnahmeheimen aushelfen, sowie die Informationsverfahren bündeln.
Es geht um einen besseren, schnelleren Datenaustausch zwischen BA, Bundespolizei, BAMF, Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichten. Was ist rechtlich erlaubt? Und was ist technisch machbar? Eine schnittstellenfreie Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, „gibt es fast nirgendwo“, verriet de Maizière. Überall stößt man an Grenzen. Der beste IT-Experte der BA wechselte ins Innenministerium. Von ihm erhofft man sich eine Lösung.
Die Bundeskanzlerin sieht auch die USA in der Pflicht
Hoffnungsträger Weise weiß genau, worauf er sich einlässt. Die Behörden stünden vor einem Problem, „das sich in der Zahl und Dimension nicht steuern lässt“. Um diese Frage dreht sich im Grunde die ganze Woche. Am Abend beriet sich Merkel mit den kommunalen Spitzenverbänden. Am Mittwoch stimmt sie sich mit ihren EU-Amtskollegen ab. Am Donnerstag hält sie eine Regierungserklärung und trifft sich mit den Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer, die mit ihr vor allem über die Kosten reden wollen.
Ab Freitag will sie in New York am Rande der UN-Vollversammlung darauf dringen, dass sich mehr Länder an der Finanzierung der Flüchtlingslager in den Nachbarstaaten Syriens beteiligen. Das gilt für die Golfstaaten und erst recht für die USA, wie Merkel am Montag vor Unions-Abgeordneten klarstellte: „Zu glauben, Europa könne das ganz alleine ohne die Mithilfe der Vereinigten Staaten von Amerika, scheint mir auch nicht ganz realistisch zu sein.“
Auch de Maizière ist nicht tatenlos. Am Dienstag trifft der Innenminister seine EU-Kollegen. Sie streiten zunächst „nur“ um die Verteilung von rund 160.000 Flüchtlingen. De Maizière dürfte allerdings die Gelegenheit nutzen, um für seinen Plan zu werben, „im großzügigen Umfang“ Flüchtlinge aus Krisenregionen nach Europa zu holen und zwischen den Ländern zu verteilen, „ohne dass Schlepper daran verdienen“. Er strebt einen „Perspektivwechsel“ europäischer Asylpolitik an.
De Maizière musste seinen Entwurf entschärfen
Gleichzeitig leitet de Maizière einen Gesetzentwurf an die Bundesländer weiter, den er in einem wichtigen Punkt korrigieren musste. Wenn es nach ihm ginge, würden über ein EU-Mitgliedsland eingereiste Flüchtlinge weder Geld- noch Sachleistungen erhalten. Er würde ihnen Proviant und eine Rückfahrkarte in das Land geben, über das sie erstmals in die Europäische Union (EU) eingereist sind. Diese Regelung soll nun aber nur für diejenigen gelten, über deren Asylverfahren schon entschieden wurde. Sie gilt nicht für Flüchtlinge, die in Europa neu ankommen und Asyl beantragen. Der Entwurf sieht zudem Lockerungen im Bauplanungsrecht vor, um die Schaffung von Flüchtlingsunterkünften zu beschleunigen. Überdies will die Große Koalition die Möglichkeit einer legalen Arbeitsmigration eröffnen, gerade für Menschen aus dem Westbalkan.
Wer einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz nachweisen kann, soll nach Deutschland auswandern dürfen. Für ihn würde die Vorrangprüfung entfallen. Das heißt: Dann wird nicht geprüft, ob es für dasselbe Jobangebot einen einheimischen Interessenten gibt. Die Idee ist, ein Ventil zu öffnen: Wer als Arbeitsmigrant einreist, so das Kalkül, der stellt keinen Asylantrag.