Berlin. . Deutschland nimmt 15.500 Flüchtlinge auf. Lob von den UN für die große Hilfsbereitschaft. Scharfer Protest der CSU überschattet den Koalitionsgipfel.
Es ist ein riesiger Flüchtlingszug Richtung Westen – mit erschöpften, aber glücklichen Menschen: Deutschland hat am Wochenende in einer beispiellosen Aktion Tausende Flüchtlinge aufgenommen, die tagelang in Ungarn festgesessen hatten. In vielen Städten trafen die Asylsuchenden auf eine Welle von Hilfsbereitschaft: Hunderte Menschen standen in den Bahnhöfen etwa von Frankfurt, Dortmund oder Hamburg bereit, um die Flüchtlinge willkommen zu heißen. Bis zum späten Sonntagabend kamen rund 15.500 Menschen in Deutschland an.
Das UN-Flüchtlingshilfswerk lobte die Bereitschaft Deutschlands und Österreichs, den Menschen in einer Notlage unbürokratisch die Einreise zu ermöglichen, als „politische Führerschaft auf der Grundlage humanitärer Werte“. Auch die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl sprach von einem „großartigen Akt der Humanität“.
CSU befürchtet „Sogwirkung“
Flüchtlinge in DeutschlandDoch in der Koalition sorgt die Hilfsaktion für Streit: Die CSU-Spitze rügte das Vorgehen als „falsche Entscheidung“ und warnte vor einer „Sogwirkung“. CSU-Chef Horst Seehofer sagte, die Bundesrepublik könne nicht als einer von 28 EU-Staaten „beinahe sämtliche Flüchtlinge aufnehmen“. Die Kritik wollte er auch beim Koalitionsgipfel am Sonntagabend im Kanzleramt bekräftigen, obwohl sich Spitzenpolitiker von CDU und SPD hinter die Kanzlerin stellten.
Der Streit drohte damit das Treffen der Koalitionsspitze zu überschatten: Eigentlich wollten Union und SPD Einigkeit bei der Vorbereitung neuer Flüchtlingshilfen demonstrieren. So wird der Bund seine Hilfe für die Länder und Kommunen erneut um mehrere Milliarden erhöhen, nachdem die Zahl der Flüchtlinge in diesem Jahr mit 800.000 fast doppelt so hoch ausfallen dürfte wie noch im Juli erwartet – und viermal so hoch wie im vergangenen Jahr.
Mehr Erstaufnahmeplätze
Im Grundsatz unstrittig war in der Koalition auch die Aufstockung der zentralen Erstaufnahmeplätze für Asylbewerber von 50. 000 auf mindestens 150. 000. Zudem will die Koalition bürokratische Vorschriften lockern, um vor allem den Neu- und Umbau von Flüchtlingsunterkünften zu beschleunigen.
Flüchtlinge in Dortmund
Ein Haushaltsüberschuss des Bundes von 6 Milliarden Euro schafft in diesem Jahr Spielräume für zusätzliche Hilfen. Die Koalition hatte vorsorglich strittige Themen wie das von der SPD geforderte Einwanderungsgesetz oder die von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) verlangte Grundgesetzänderung von der Tagesordnung abgesetzt. Entscheidungen sollen bei einem Treffen der Bundesregierung mit den Ländern am 24. September fallen.
Osteuropa wehrt sich
Während die Koalition erneut eine Reform der EU-Flüchtlingspolitik zur gerechten Verteilung der Asylbewerber auf alle EU-Staaten anmahnte, kamen aus Brüssel und Luxemburg ernüchternde Signale: Vor allem osteuropäische EU-Länder wehren sich gegen verbindliche Regeln. EU-Ratspräsident Donald Tusk erteilte dem deutschen Vorstoß für einen EU-Sondergipfel zur Flüchtlingsfrage eine Absage.
EU-Kommissionspräsident Claude Juncker wird am Mittwoch ein Konzept zur Verteilung von 120. 000 Flüchtlingen vorstellen, das auch Deutschland vor neue Aufgaben stellt: Als größtes EU-Land soll Deutschland wohl noch einmal über 30 .000 Flüchtlinge aus Ungarn, Griechenland und Italien aufnehmen.