Berlin. . 51 Prozent der Deutschen halten den Außenminister für geeignet. Doch der hat seine schwere Niederlage von 2009 gegen Angela Merkel noch nicht vergessen.
Die Debatte, wer nächster Kanzlerkandidat der SPD wird, ist zuletzt nicht gut gelaufen für die Sozialdemokraten. Nach einigen Zweifeln an der Eignung von SPD-Chef Sigmar Gabriel schlug Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) sogar vor, auf einen eigenen Kandidaten für die nächste Bundestagswahl zu verzichten. Doch diese Empfehlung geht wohl auch an den Wählern vorbei. Unsere Zeitung hat in einer repräsentativen Umfrage von den Bundesbürgern wissen wollen, wem sie von den SPD-Politikern zutrauen, Bundeskanzler zu werden. Das Ergebnis: Eine Mehrheit der Wähler hält einen SPD-Politiker durchaus geeignet für das Kanzleramt: 51 Prozent der Deutschen trauen es Außenminister Frank-Walter Steinmeier zu, wie die exklusive Emnid-Umfrage im Auftrag unserer Zeitung ergab.
Heikel für den Favoriten
Steinmeier liegt unter den Genossen damit deutlich vorn: Vizekanzler Gabriel kommt mit 34 Prozent auf Platz zwei, NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft erreicht den dritten Rang mit 28 Prozent, dahinter rangiert Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz mit 14 Prozent. Geringere Unterstützung erfahren Arbeitsministerin Andrea Nahles (9 Prozent) und Familienministerin Manuela Schwesig (6 Prozent). 19 Prozent geben an, dass sie keinem der sechs genannten SPD-Politiker zutrauen, Kanzler werden.
Für die Sozialdemokraten und Steinmeier persönlich ist das Ergebnis heikel: Der 59-Jährige dürfte sich schwer damit tun, noch einmal gegen Merkel anzutreten. Die Niederlage von 2009, als der Außenminister mit 23 Prozent das bisher schlechteste SPD-Ergebnis der bundesdeutschen Geschichte einfuhr, hat ihn tief verletzt. Vor der Bundestagswahl 2013 überlegte Steinmeier lange, ob er sich eine Revanche gegen Merkel zutraut. Er sagte ab, aus persönlichen Gründen, aber auch, weil ihm eine Bewerbung mit dem eigenwilligen Parteichef Gabriel an der Seite als zu riskant erschien. Ob sich Steinmeier diesmal doch noch überreden lässt? Eigentlich gibt es längst einen anderen Plan für den beliebten Genossen: Sollte Joachim Gauck 2017 nicht mehr für eine zweite Amtsperiode als Bundespräsident zur Verfügung stehen, wofür einiges spricht, wäre Steinmeier jetzt aus Sicht führender SPD-Politiker der geborene Kandidat für das erste Amt im Staat.
Parteichef Gabriel kann mit dem Umfrageergebnis wohl leben: Dass ihm nur jeder dritte Wähler zutraut, Regierungschef zu werden, ist einerseits alles andere als ein Vertrauensbeweis. Aber falls Steinmeier nicht zur Verfügung steht, läuft nun auch nach Meinung der Bürger alles auf Gabriel zu: Seine innerparteilichen Kritiker, die sich in den letzten Monaten zu Wort meldeten, müssten zur Kenntnis nehmen, dass andere Bewerber derzeit noch schlechter dastünden als Gabriel.
Allerdings: Unter SPD-Anhängern schneidet Kraft mit 52 Prozent so gut ab wie Gabriel. Steinmeier liegt auch im sozialdemokratischen Lager mit 70 Prozent vorn. Nahles kommt mit 24 Prozent auf den vierten Rang, gefolgt von Scholz (21 Prozent) und Schwesig (elf Prozent).
Beunruhigen dürfte das die SPD-Frauen nicht: Die Chancen, die Kanzlerin bei der Bundestagswahl aus dem Amt zu jagen, sind auch nach Einschätzung führender Sozialdemokraten gering. Die Hoffnung, die Kanzlerin werde 2017 nicht mehr antreten, hat die SPD-Spitze aufgegeben. Aus dem ersten Zugriffsrecht des Vorsitzenden auf die Kandidatur wird diesmal womöglich eine Zugriffspflicht. Die öffentliche Zurückhaltung potenzieller Bewerber zeigt, wie die Umfrage belegt, längst auch bei den Bürgern Wirkung: Kraft und Scholz haben erkennbar so wenig Interesse an der Aufgabe, dass sie von den Wählern derzeit kaum noch als mögliche Kandidaten wahrgenommen werden.
Rot-grüne Mehrheit verteidigen
Kraft spielt ja ohnehin ihre Rolle bei den Wahlvorbereitungen: Sie muss im Frühjahr 2017 die rot-grüne Mehrheit in NRW verteidigen; verliert sie das Ministerpräsidentenamt, wäre das für die SPD wenige Monate vor der Bundestagswahl der größte anzunehmende Unfall. Ohnehin hat die Regierungschefin manchen Sympathisanten außerhalb ihres Landes enttäuscht, als sie erklärte: „Ich werde nie, nie als Kanzlerkandidat antreten.“