Kairo. . Der Staat der Islam-Faschisten hat mittlerweile eine Ausdehnung wie Großbritannien - die Schwäche seiner arabischen Gegner ist seine stärkste Waffe.

Aus dem nahöstlichen Polit-Kalender der letzten Tage: In Kairo wird die Besiegelung einer gemeinsamen arabischen Eingreiftruppe gegen den „Islamischen Staat“ in letzter Minute abgesagt. Im Irak ­protestieren Zehntausende auf den Straßen, entnervt von quälenden Stromausfällen und der hemmungslosen Korruption ihrer Politiker.

Im Libanon treibt der stinkende Müll die Menschen auf die Straße. Saudi-Arabien und die Emirate ­bomben den Jemen in Grund und Boden. Die Türkei bombt jetzt ebenfalls, gegen die PKK und damit gegen die einzigen militärischen Bodenkräfte, die den IS-Gotteskriegern bisher die Stirn bieten konnten. Und das Pentagon lässt untersuchen, ob die offizielle Erfolgsbilanz der seit einem Jahr geflogenen 6000 Luft­angriffe frisiert worden ist.

Der Irak ist zerfallen, Syrioen vor dem Zusammenbruch

Es braucht keine übersinnlichen Fähigkeiten, um zu erkennen, dass das „Islamische Kalifat“, das mittlerweile eine Ausdehnung wie Groß­britannien hat, so nicht zu zerstören ist. Stattdessen etabliert sich Abu Bakr Al-Baghdadis teuflische Dik­tatur im Namen Allahs mehr und mehr als Konstante. Der bisherige Staat Irak ist bereits Geschichte, zerfallen in einen schiitischen, kurdischen und sunnitischen Sektor, in dem sich der IS fest verankert hat.

Beim Nachbarn Syrien hat der hektische diplomatische Reiseverkehr zwischen Moskau, Washington, Teheran und Riad nach dem Fall von Palmyra vor allem ein Ziel: dem Assad-Regime ein Restterritorium zu sichern und den totalen Zusammenbruch des Staates abzuwenden. Denn das würde dem IS Tür und Tor nach Damaskus öffnen.

Der IS zertrümmert das Antlitz des Orients

Derweil zertrümmern die Kommandos des selbsternannten Kalifen Al-Baghdadi das Gesicht des Orients, so dass es bald nicht mehr wiederzuerkennen sein wird.

Das polyglotte Menschheitserbe mit seinem religiösen und ethnischen Reichtum, seiner babylonischen Sprachenvielfalt und seiner jahrtausendealten Multikultur geht zugrunde. Minderheiten, derer der IS habhaft werden kann, werden ­vertrieben, gequält und ermordet. Parallel zu diesem Frevel vollzieht sich das Fiasko des arabischen ­Staatengefüges. Die Auflösung der Grenzen ist in vollem Gange.

Ein Drittel der Arabischen Liga sind gescheiterte Staaten, ein Drittel ist schwach und schwankend, ein Drittel hyperautoritär. Kein ara­bischer Staatschef besitzt internationales Format. Nirgendwo hat sich eine stabile Demokratie, geschweige denn ein tragfähiger Sozialstaat ­herausgebildet. Nirgendwo existiert eine moderne Vorstellung von ziviler Partizipation und mündigem Bürgertum – in einer Region, in der gut die Hälfte der 280 Millionen ­Ein- wohner jünger als 30 Jahre ist.

Kein Wunder, dass die Menschen fliehen

Kein Wunder, dass sich immer mehr Menschen nach Europa aufmachen, um ihr Leben zu retten, ihrer Existenz eine Perspektive zu geben. So ist, was sich gegenwärtig an den EU-Grenzen und in Auffanglagern abspielt, wohl erst der Anfang. Mit den Flüchtlingszahlen aber steigt die Ratlosigkeit der Europäer über ihre fernen nahöstlichen Nachbarn. Positive Kräfte, die das Blatt wenden könnten, sind nicht in Sicht. Stattdessen spielen die arabischen Eliten dem „Islamischen Staat“ mit ihrer Zerstrittenheit, Unfähigkeit und Egomanie weiter in die Hände.