Essen.. Drei Tonnen Kokain und fast eine Tonne Marihuana hat der Zoll 2014 sichergestellt. Manches Versteck ist lebensgefährlich für die Schmuggler.

Ein „bolivianischer Bowlingmeister“ passiert nicht jeden Tag die Einreiseschleusen am Flughafen. Aber wenn: Sollte er dann nicht die mitgebrachte Kugel meisterlich ­halten können? Dass der Mann das ziemlich linkisch tat, machte einen Zöllner hellwach. Der Beamte guckte sich das runde Stück an und konnte es öffnen. Weiß schimmerten dort 300 Gramm Kokain. Täglich treffen die bundesweit 2500 Beamten der Grenzzollämter und die Fahnder der Mobilen Kontrolleinheiten auf einen schillernden Mix phantasievoller Verstecke.

Kokain im Kinderbett, Crystal Meth im Bonbonpapier

Kokain im Kinderbett, Mari­huana in der Fertigsuppe, zwei Kilogramm Crystal im Bonbon-Papier, Tabak in einer Türfüllung und 16 500 ­Flakons mit gefälschtem Parfüm – so sieht die Bilanz allein der letzten vier Wochen aus. Mal haben die ­Ermittler 30 000 unversteuerte Euro in lila Schoko-Hasen gefunden oder einen 74-Jährigen mit fünf Kilogramm Marihuana an der Grenze ­gestellt. Der Stoff steckte in der ­Tüte, die sein Enkel (3) hielt.

„Die Täter gehen ungeheuer kreativ vor“, sagt Ruth Haliti vom Zollfahndungsamt in Essen. Ihre Be­hörde verantwortet die Kontrolle von 572 Kilometer Grenze und ein Viertel der einschlägigen bundesweiten Ermittlungsverfahren. „Wir haben schon Hartschalenkoffer ­sichergestellt, deren Hartschale aus Kokain bestand“.

Kuriere riskieren ihr Leben

Was teils unterhaltsam klingt, ist alles andere als das. Harte Drogen in anderer Konsistenz ins Land zu bringen – flüssig zum Beispiel – ist Trend. Noch schnell zu ent­decken sind kokaingetränkte Jeans, die durch den steifen Stoff auffallen. Sorge bereitet dem Zoll in NRW ­dagegen AB 7409 – die Flugnummer des Air Berlin-Airbus aus Curaçao. Mittwochmittags landet der Jet in Düsseldorf. Er hat Touristen an Bord und meist Drogenkuriere.

Hier sind oft Körperschmuggler unterwegs, die Kokain, verpackt in Cocktailwürstchen-­große Latex-Fingerlinge, in Magen und Darm transportieren. Es ist wohl einer der gefährlichsten Jobs im internationalen Rauschgift­handel: Platzen diese „Bolitas“ im Körper, kann so ein Kurier an Organversagen sterben. Entkommen sie dagegen den gesundheitlichen Risiken und am Ende auch dem Zoll, zahlen ihnen die Hintermänner einen Transportlohn bis zu 5000 Dollar, für die meist bitterarmen „Bodypacker“ ein Vermögen.

Auch das Flugzeug wird untersucht

Die Fahnder stehen vor einer neuen Herausforderung. Ab November baut Air Berlin eine zweite Tour Düsseldorf-Curaçao-Düsseldorf in den Flugplan ein. Schon bisher gilt: Kaum hat die Maschine aufgesetzt, beginnt eine aufwändige Aktion. Der Zoll beobachtet beim Verlassen nicht nur jeden Passagier auf Gang, Verhalten und Schweißausbruch. Er lässt auch den Jet nach dem Ausstieg abriegeln und untersucht die Toilettentanks des Airbus auf ver­räterische Spuren.

Wird bei der Kontrolle ein Bodypacker gestellt, muss er sich auf einer Spezialtoi­lette erleichtern, das ausgeschie­dene Material wird als Beweis ein­gesammelt. Nach manchen Flügen wurden sieben Körperschmuggler unter den Passagieren entdeckt. Etliche mussten sofort in die nächste Klinik: Notoperation!

Düsseldorf ist ein Schwerpunkt des Drogenhandels

Die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt ist nicht erst seit ­heute ein Schwerpunkt dieser Spielart des Drogenhandels. Schon 2012 gingen hier 85 der bundesweit 130 ertappten Körperschmuggler ins Netz. 61 wurden im letzten Jahr enttarnt, sie hatten 3354 Koks-Päckchen verschluckt – im Schnitt hatte jeder 55 „Politas“ im Bauch. Zwölf Prozent der deutschen Kokain-Sicherstellungen überhaupt gehen aufs Konto der Düsseldorfer Flughafen-Fahnder.

Dennoch: Die größten Kokain-Importe kommen übers Meer. Das Rauschgift ist versteckt in Containern, als Beipack von Lebensmitteln, Kaffee oder Obst. Im Herbst letzten Jahres entdeckte der Zoll in Essen 330 Kilogramm Heroin in einer Lieferung zwischen Dosen mit Gurken und Knoblauch aus dem Iran – die größte beschlagnahmte Einzelmenge dieser Droge seit Jahrzehnten.

Mobile Kontrollanlage für Reisebusse

Die Zollfahnder beantworten die verfeinerten Tricks der Mafia mit verstärkter technischer Aufrüstung. So beschäftigen sie im Ruhrgebiet Spezialisten, die sich mit den zum Schmuggel hergerichteten Hohlräumen in Pkw und Lkw auskennen und regelmäßig die hohen Lkw-Dächer („Da geht viel rein“) auseinander schrauben.

Eine mobile Kontrollanlage, die – nur viel größer – den elektronischen Detektoren an den Flughäfen ­ähnelt, wird bereits zur Überprüfung von Fernbussen eingesetzt. Sie taucht unverhofft an deren Haltestellen auf – mal in Köln, mal in Dortmund. Oder anderswo.