Wien. . Dutzende tote Flüchtlinge in einem Kühl-LKW in Österreich bei Parndorf entdeckt. Sie waren während eines Transportes durch Schlepper in dem Lastwagen erstickt.

Manchmal sind Politiker­reden nicht weit entfernt vom ganz realen Grauen der Flüchtlingskrise. Am Donnerstag waren es nur wenige Kilometer. In Wien kam Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit etlichen anderen Spitzenpolitikern zur Westbalkan-Konferenz zusammen. Kaum 40 Fahrtminuten weiter südlich fiel Autobahnarbeitern auf einem Pannenstreifen bei Parndorf (Bezirk Neusiedl am See) ein Kühlwagen auf.

Im Wagen erstickt

Als Polizeibeamte die Türen auf­brachen, bot sich ein Schreckensbild: die Leichen Dutzender Menschen. Allesamt wahrscheinlich Flüchtlinge, die ihr Leben Schleppern anvertraut hatten.

Was genau sich in dem Kühl-LKW mit ungarischem Kenn­zeichen und dem Schriftzug einer slowakischen Hühnerfleischfirma abgespielt hat und wann die ­Menschen starben, konnten die ­Ermittler noch nicht sagen. Ver­mutet wurde, dass die Flüchtlinge erstickt sind. Weil die Bergungsarbeiten noch liefen, gab es zunächst auch noch keine genaue ­Anzahl der Toten. Wahrscheinlich waren es zwischen 40 und 50. Vom Fahrer fehlte jede Spur.

Fahndung nach Schleppern läuft auch Hochtouren

Die Fahndung nach den Schleppern laufe auf Hochtouren, ver­sicherte der Polizeidirektor des Burgenlandes, Hans Peter Doskozil. „Es wurde ein Krisenstab eingerichtet.“ Die Pannenbucht war weiträumig abgeriegelt. Überall Einsatzwagen mit Blaulicht. Ein Fahrstreifen war gesperrt. Über den anderen rollte der Verkehr weiter: Viele Menschen, für die Flucht, Vertreibung, Asyl kaum mehr als ein unschönes Dauerthema in den Medien sein mag, waren unterwegs zum Shopping ins nahe Designer Outlet.

Manche von ihnen machten ­Handy-Fotos. Später mögen sie ­erfahren haben, welches Grauen sich in dem Kühlwagen abgespielt haben muss. Und dann galt wohl auch für sie, was Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Nachmittag bei einer Pressekonferenz sagte: „Diese Tragödie macht uns alle betroffen.“

Härteres Vorgehen gegen Schlepperbanden gefordert

Schon bevor sich die Schreckensnachricht verbreitete, hatten Spitzenpolitiker bei dem Treffen in Wien ein härteres Vorgehen gegen Schlepperbanden gefordert. „Wir haben gemeinsam die Pflicht, etwa jene, die an diesem Leid auch noch verdienen, in die Schranken zu ­weisen“, sagte Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) in seiner Eröffnungsrede. Dazu sei eine gemeinsame Strategie aller EU-Staaten nötig. „Jeder ganz allein, erst recht gegen den anderen, werden wir diese Herausforderung nicht lösen können.“

Die Tragödie von Parndorf überschattete die Konferenz und ließ niemanden unberührt. Doch wird sich etwas ändern am Vorgehen der europäischen Staaten? „Das wird nicht die einzige Katastrophe bleiben“, prophezeite der Generalsekretär von Amnesty International Österreich, Heinz Patzelt.

Fast täglich Schlepperfahrzeuge unterwegs

Fast täglich sind Schlepperfahrzeuge auf Österreichs Straßen unterwegs. Viele kommen über die sogenannte Balkanroute. Viele hoffen, dass sie es bis nach Deutschland oder eines der anderen nördlichen EU-Länder schaffen. „Es war zu befürchten, dass es Todesopfer bei den Schleppertransporten gibt“, sagte Österreichs Justizminister Brandstetter (ÖVP). „Denn die organisierte Schlepperei ist eine skrupellose und mörderische Form schwerster Kriminalität, der man europaweit konsequent entgegenwirken muss.“

Dafür tritt der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, António Guterres, seit Langem ein. Ein Allheilmittel ist der Kampf der Polizei gegen Schlepper für ihn aber nicht. Europa müsse endlich ein „ordentlich funktionierendes System“ schaffen, das Flüchtlingen legale Wege eröffnet, um Asyl zu beantragen. Am besten bereits in Aufnahmezentren an den Außengrenzen Europa.