Skopje/Belgrad. .

Nach der Schließung seiner Grenze am vergangenen Donnerstag lässt Mazedonien seit Samstag Flüchtlinge wieder durch. Am Wochenende trafen mehr als 5000 Menschen aus dem Balkanland im südserbischen Presevo ein. Der Chef des örtlichen Roten Kreuzes, Ahmed Halimi, sprach sogar von 6000 bis 8000.

Ein Teil der Ankommenden fuhr mit Bussen weiter in die Hauptstadt Belgrad. Von dort versuchen sie Ungarn zu erreichen. Der Grenzübertritt in das EU-Land wird aber täglich schwieriger, weil die ungarischen Behörden in großer Eile an ihrem Grenzzaun zu Serbien arbeiten. Bis zum nächsten Wochenende will die Regierung laut Premier Viktor Orbán die gesamte 175 Kilometer lange Grenze zu Serbien anderthalb Meter hoch mit Nato-Draht verlegt haben. Bis Ende November soll der Wall zusätzlich mit einem vier Meter hohen Stahlzaun gesichert werden. Schon jetzt finden sich kaum noch Schlupflöcher. Der Flüchtlingsstrom staut sich in diesen Tagen vor allem in Belgrad. Im Zentrum der serbischen Hauptstadt sind Flüchtlinge überall anzutreffen. Hunderte kampieren vor dem Hauptbahnhof.

In der Nacht zum Sonntag verließen 50 Busse mit 5000 Passagieren Gevgelija an der griechisch-mazedonischen Grenze. Die Flüchtlinge berichteten, sie seien weder von der mazedonischen noch von der serbischen Polizei behelligt worden. Organisiert wurde der Transport von der Schnellen Eingreiftruppe der mazedonischen Polizei – derselben Einheit, die noch am Freitag mit Tränengas und Blendgranaten gegen die Flüchtlinge vorgegangen war.

Die mazedonische Polizei erklärte, sie werde Flüchtlinge auch weiterhin passieren lassen, und zwar in Gruppen von je 200 bis 300. Mazedonien hatte am Samstag seine Grenze zu Griechenland wieder geöffnet, nachdem in Gevgelija Tausende Flüchtlinge an zwei Stellen den Sperrkordon durchbrochen hatten. In die Stadt ergoss sich eine Welle von 4000 bis 5000 Menschen, mehr als doppelt so viele, wie in den letzten Tagen vor der Schließung täglich angekommen waren. „Die Polizei hat die Kontrolle verloren“, so der Augenzeuge Jasmin Rexhepi von der Hilfsorganisation Legis.

Die Nacht zum Sonntag verbrachten Tausende auf Bänken, in Parks, in Hauseingängen oder einfach auf Bürgersteigen. Zahlreiche mazedonische Hilfsorganisationen, manche davon spontan entstanden, verteilten Decken, Hemden, Schuhe, Windeln und 2500 Proviantpakete. „Wir haben Tränen getrocknet und viele zerrissene Familien wieder zusammengeführt“, erzählt eine Aktivistin.

Pakete mit Lebensmitteln

Nach dem Chaos der vergangenen Tage war Gevgelija gestern wie leergefegt. Vor dem Erstaufnahmezentrum im serbischen Presevo dagegen bildete sich am Sonntag eine Schlange von einem halben Kilometer Länge. Ankommende werden registriert und erhalten von Mitarbeitern des Flüchtlingshilfswerks, des Roten Kreuzes und des serbischen Flüchtlingskommissariats Pakete mit Lebensmitteln und Hygiene-Artikeln.

Die Regierung in Belgrad macht keine Anstalten, ihre Grenze zu schließen. Gestern besuchte Verteidigungsminister Bratislav Gasic das Aufnahmezentrum, nahm einen kleinen syrischen Jungen auf den Arm und suchte mit ihm gemeinsam dessen verlorene Tasche. Nur die rechtsoppositionelle „Volkspartei“ verlangte erneut die Aufrichtung eines Grenzzauns.