Paris. . Die couragierten Männer - drei US-Bürger, ein Brite sowie ein Franzose – werden als „Helden des Thalys“ gefeiert. Am Freitag hatten sie in dem Zug einen schwer bewaffneten Mann überwäligt und somit ein Attentat verhindert.
„Ihr Mut und ihre Kaltblütigkeit hat wohl ein furchtbares Drama verhindert“, lobte Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve gestern jene Passagiere eines Thalys-Schnellzugs, die sich am Freitagabend spontan einem schwerbewaffneten Marokkaner entgegenstellten und ihn unter Lebensgefahr überwältigten. Von den französischen Medien werden die couragierten Männer - drei US-Bürger, ein Brite sowie ein Franzose – als „Helden des Thalys“ gefeiert. Vier von ihnen ehrt Staatspräsident François Hollande heute mit einem Empfang im Elysee-Palast, während der Fünfte mit einer schweren Schussverletzung im Krankenhaus von Lille liegt.
Attacke in Thalys-Zug
Alle Details der Vorfälle im letzten Wagon des Thalys-Zugs, der sich am frühen Freitagabend auf der Strecke von Amsterdam nach Paris befand, sind noch nicht bekannt. Doch offenbar war es ein französischer Hochschullehrer, der als erster auf den mutmaßlichen Terroristen Ayoub El Khazzani stößt. Der Mittfünfziger wartete auf Höhe der belgisch-französischen Grenze vor der Toilette zwischen den letzten beiden Wagons, aus der auf einmal der 26-jährige Marokkaner mit nacktem Oberkörper und einer Kalaschnikow in den Händen heraustrat.
Franzose erlitt Schussverletzung im Rücken
Laut Patrick Goldstein, dem Chef der Notaufnahme des Krankenhauses von Lille, soll der Akademiker, der anonym zu bleiben wünscht, das Sturmgewehr sofort an sich gerissen und versucht haben, davon zu laufen. Doch nach wenigen Schritten traf ihn eine Pistolenkugel in den Rücken und streckte ihn nieder. El Khazzani nahm die Kalaschnikow wieder an sich und stürmte in den letzten Wagon. Hier jedoch wurde er auf der Stelle von drei jungen Amerikanern gestoppt, die der Schuss alarmiert hatte.
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Zwei US-Soldaten in Zivil, Spencer Stone (23) und Alek Skarlatos (22), warfen sich als erste auf El Khazzani und rissen ihn zu Boden. Bei dem Versuch, den wild mit einem Teppichmesser um sich fuchtelnden Marokkaner zu entwaffnen, sprang den beiden erst ihr Freund Anthony Sadler, ein 23-jähriger Student, und dann auch der britische Geschäftsmann Chris Normann (62) bei. Zwar wurde Stone von mehreren Messerstichen an der linken Hand und am Hals verletzt, aber es gelang ihnen, El Khazzani zu überwältigen und mit Normanns Krawatte zu fesseln.
„Ich bin kein Held, ich hätte mich am liebsten unter den Sitzen versteckt“, wehrte Chris Normann am Samstag alle Glückwünsche ab. „Aber als ich den Typen mit seiner Kalaschnikow gesehen habe, dachte ich: OK, du stirbst wahrscheinlich ohnehin, also los!“ Die jungen Amerikaner haben US-Medien erklärt, überhaupt nicht weiter überlegt zu haben. Alek Skarlatos ist überzeugt, „dass wir alle ein Riesenglück hatten, weil die Kalaschnikow des Attentäters eine Ladehemmung gehabt haben muss.“
Attentäter war spanischen und französischen Behörden bekannt
Der Zug stoppte 20 Minuten nach der Attacke in Arras, wo den Marokkaner die Polizei in Empfang nimmt. Stone und der französische Hochschullehrer mussten wegen ihrer Verletzungen nach Lille gebracht werden. Am Samstagmorgen die Entwarnung: Stone konnte das Krankenhaus verlassen und der Franzose ist außer Lebensgefahr. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Ermittler El Khazzani bereits einwandfrei identifiziert. Er war sowohl den spanischen als auch den französischen Behörden bekannt – als radikaler Moslem. 2007 kam der Marokkaner nach Spanien, wo er bis 2014 von Gelegenheitsarbeiten lebte und eine salafistische Moschee besuchte. Dies sowie zwei Verurteilungen wegen Drogenhandels hatten die spanischen Dienste auf ihn aufmerksam gemacht. Als potentiell gefährlichen Islamisten signalisierten sie ihn 2014 auch ihren französischen Kollegen.
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Ab 2014 war El Khazzani auf „Europa-Tournee“, er soll sich zuerst in Frankreich, später in Österreich, Andorra, Deutschland und Belgien aufgehalten haben. Im Verhör bestreitet er bislang, auch in die Türkei und nach Syrien gereist zu sein. Ebenso bestreitet er, im Thalys einen Terroranschlag geplant zu haben, er habe er „lediglich“ die Passagiere ausrauben wollen. Die Waffen (die Kalaschnikow sowie eine Luger-Pistole) und jede Menge Munition habe er in einem Rucksack in einem Brüsseler Park gefunden.