Bangkok. . Das Zentrum der Millionenmetropole wird durch eine enorme Explosion verwüstet. Attentäter könnten Islamisten, Junta-Gegner oder Militärs sein.

Sanitäter bergen im ­gespenstischen Schein rotierender Blau- und Rotlichter die letzten ­Todesopfer. Die zerfetzten Reste von zwei Motorrädern liegen we­nige Meter vor dem populären ­Erawan-Schrein, einem Tempel im Herzen der thailändischen Hauptstadt Bangkok, den Touristen und Thailänder häufig besuchen. Mindestens 19 Menschen starben am Montag, rund 80 wurden verletzt, als mitten im Feierabendverkehr mit einer großen Stichflamme ein gewaltiger Sprengsatz explodierte. Fensterscheiben gingen zu Bruch. Passanten wurden von der Druckwelle weggefegt wie Streichhölzer.

Rund eine Stunde später ist an der Rajprasong-Kreuzung kaum ein lautes Wort zu hören. Polizisten suchen die Büsche auf dem Mittelstreifen ab. Plötzlich ertönt ein Alarm. Die Beamten haben in der Nähe einen weiteren Sprengsatz entdeckt. Während Spezialisten in der gespenstischen Atmosphäre versuchen, diese Bombe zu entschärfen, wird wenige Schritte weiter vor dem noblen Gaysorn-Center ein dritter Sprengsatz gefunden.

In der Millionenmetropole Bangkok zieht die Angst ein. Über den Beamten, die sehr vorsichtig die Bomben entschärfen, rattert die voll besetzte Hochbahn her. Die Passagiere schlagen alle Ermahnungen in den Wind, wollen heim, obwohl die Polizei warnt: „Die Hochbahn, die U-Bahn, die Einkaufsmeile Sukhumvit und das Vergnügungsviertel an der Thonglor-Straße sind besonders riskant.“

Die Warnung ist eine Vorsichtsmaßnahme. Niemand hat an diesem Abend eine Ahnung, wer hinter dem Anschlag stecken könnte. Die Liste der möglichen Verdäch­tigen ist lang. Die islamische Unabhängigkeitsbewegung, die Aktionen bisher weitgehend im ­Süden Thailands nahe der Grenze zu ­Malaysia tätigte, könnte hinter der Attacke stecken. Kreise, die der seit Mai 2014 herrschenden Militärjunta nahestehen, sind mit Schuldzuweisungen an die Phuea Thai Partei und die sie unterstützenden Rothemden schnell bei der Hand.

Mehr als ein Jahr nach dem Militärputsch ist das Misstrauen im Land so stark, dass eine Thailänderin in der Dunkelheit nahe der Anschlagsstelle flüstert: „Das können auch die Generäle gewesen sein, die ihre Herrschaft rechtfertigen wollen.“ Den Sprengsatz könnten sogar Militärs gelegt haben, die mit dem Junta-Chef ­General Prayuth Chan-ocha unzufrieden sind. Denn der will im ­September seinen Bruder zum ­neuen Armeechef ernennen.

Thailand erlebt seit Anfang des Jahrtausends einen tiefen Konflikt zwischen der traditionellen Oberschicht und Mittelklasse der Hauptstadt und der Landbevölkerung im Norden und Nordosten des Königreichs. Seit dem Jahr 2001 wurden alle Wahlen ­von einer politischen Bewegung rund um den früheren Premierminister Thaksin Shinawatra gewonnen. Das Militär, das sich vor allem dem Schutz der Monarchie verpflichtet sieht, putschte in den Jahren 2006 und 2014.

Seit dem letzen Staatsstreich im Mai des vergangenen Jahres rechtfertigt Junta-Chef General Prayuth seine Herrschaft mit der Notwendigkeit, Ruhe und Ordnung her­zustellen. Sein Regime schüchtert Kritiker ein, friert die Bankkonten von Gegnern ein und lässt Thailänder reihenweise unter dem Vorwand der Majestätsbeleidigung verurteilen. Geheim tagende Militär­gerichte verhängen dafür Strafen von bis zu 30 Jahren Haft.

Die Bomben vom Montagabend treffen das Regime nun an seiner Achillesferse. Die erste ging neben dem Erawan-Schrein, nur rund einhundert Meter vom Central World Shopping Center entfernt, in die Luft – ein Einkaufszentrum, das besonders gern von Japanern besucht wird. Das Paragon-Shopping­center, laut dem Online-Dienst Instagram im vergangenen Jahr von mehr Touristen fotografiert als der Eiffelturm in Paris, ist gerade mal einen Kilometer entfernt.