Eriwan. Es ist ein historisches Treffen: Abdullah Gül besucht den Amtskollegeni in einem Nachbarland, dessen Geschichte die Beziehungen der beiden Länder enorm belastet. Bis heute tut sich Ankara schwer damit, den Völkermord an den Armeniern im osmanischen Reich auch als solches zu bezeichnen.
Die tief zerstrittenen Nachbarländer Türkei und Armenien wollen ihre wegen der Massaker an der armenischen Bevölkerung im Osmanischen Reich belasteten Beziehungen verbessern. Bei einem historischen Treffen des türkischen Präsidenten Abdullah Gül mit seinem armenischen Kollegen Sersch Sarkissjan in Eriwan bekundeten beide Staatschefs ihren «politischen Willen», die Probleme zwischen ihren Ländern beizulegen. Sarkissjan hatte Gül anlässlich eines Fußball-WM-Qualifikationsspiels der türkischen und armenischen Nationalmannschaften eingeladen, das sich die beiden Präsidenten am Abend gemeinsam ansahen. Es war der erste Besuch eines türkischen Präsidenten in Armenien. Begleitet wurde die Visite von zahlreichen Protesten.
Demonstrative Eintracht
Als Gül auf dem Flughafen von Eriwan eintraf, protestierten mehrere hundert Teilnehmer mit einer Menschenkette gegen den Besuch des türkischen Staatschefs. Sie forderten von der Türkei eine Anerkennung des «Völkermords» an den Armeniern im Jahr 1915 sowie die Öffnung der Grenzen zwischen den Nachbarstaaten. Bei seiner Ankunft im Fußballstadion von Eriwan am Abend wurde Gül von armenischen Fans ausgebuht, wie ein Korrespondent der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Ruf- und Pfeifkonzerte begleiteten auch das Eintreffen der türkischen Nationalelf sowie das Abspielen der türkischen Nationalhymne.
Dagegen demonstrierten die beiden Staatschefs Einträchtigkeit. «Wir haben den politischen Willen, die Probleme zwischen der Türkei und Armenien zu lösen», sagte Gül nach dem Treffen mit Sarkissjan bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. «Ich hoffe, dass dieser Besuch die Möglichkeit bietet, die bilateralen Beziehungen zu verbessern.» Sarkissjan sagte, beide Sieten wollten die Probleme zwischen den Nachbarstaaten lösen, um sie nicht auf die nächsten Generationen zu übertragen.
"Ein guter Anfang"
Gül lud seinen armenischen Kollegen zum Rückspiel der Fußballmannschaften in der Türkei ein. «Ich denke, das ist ein guter Anfang», sagte Sarkissjan. Gül war als erster türkischer Präsident nach Armenien gereist. Ankara und Eriwan unterhalten keine diplomatischen Beziehungen.
Bei dem Treffen ging es anlässlich der Georgien-Krise auch um den Kaukasus. Laut Gül reagierte Sarkissjan positiv auf die türkische Initiative, mit Staaten der Region ein Kaukasus-Forum für Stabilität und Kooperation einzurichten. Sarkissjan begrüßte das Engagement der Türkei für mehr Stabilität im Kaukasus.
Der türkische Außenminister Ali Babacan schloss die Aufnahme diplomatischer Beziehungen nicht aus. Zugleich warnte Babacan am Rande des EU-Außenminister-Treffens in Avignon vor allzu hohen Erwartungen an das türkisch-armenische Treffen. Dass die beiden Fußballmannschaften gegeneinander spielten, sei purer Zufall, habe sich aber als «gute Gelegenheit» für direkte Gespräche erwiesen, sagte. Babacan schlug erneut eine gemeinsame Historikerkommission vor, um den erbitterten Streit um die Bewertung der Verbrechen an Armeniern im Osmanischen Reich zu beenden.
Das Verhältnis beider Länder ist wegen der unterschiedlichen Deutung der Massaker von 1915 belastet. Armenien wirft den Türken gezielten Völkermord mit 1,5 Millionen Toten vor. Die Türkei lehnt die Einstufung als Genozid ab und beziffert die Zahl der getöteten Armenier auf zwischen 300.000 und einer halben Million. (afp)