Ankara. . Warum der Türkei nun eine neue Welle der Gewalt droht

Als türkischer Premierminister reichte Recep Tayyip Erdogan 2012 der kurdischen Minderheit die Hand zur Versöhnung – drei Jahre später ist der Versuch gescheitert. Gestern erklärte Erdogan, inzwischen Staatspräsident, den Friedensprozess für beendet: „Es ist nicht möglich, einen Lösungsprozess fortzuführen mit denjenigen, die die Einheit und Integrität der Türkei untergraben.“

Überraschend kam das nicht. Am Samstag hatte die türkische Luftwaffe erstmals seit Jahren wieder Lager der Kurden-Guerilla PKK im Nordirak bombardiert – parallel zu Luftangriffen auf Stellungen der IS-Terrormiliz in Syrien. Die naheliegende Vermutung: Im Windschatten des Vorgehens gegen den IS will die Regierung in Ankara jetzt reinen Tisch machen mit den Kurden.

Dabei hatte der Friedensprozess hoffnungsvoll begonnen. Erdogan brach ein Tabu, als er seinen Geheimdienstchef Hakan Fidan 2012 beauftragte, Verhandlungen mit dem inhaftierten PKK-Chef Abdullah Öcalan aufzunehmen. Später wurden weitere PKK-Funktionäre in die Geheimgespräche einbezogen. Bis dahin galt es als ausgeschlossen, dass der Staat mit der als Terrororganisation eingestuften PKK spricht.

Möglich wurde die Annäherung nicht zuletzt dadurch, dass die PKK auf ihre Forderung nach einem eigenen Kurdenstaat verzichtete. Als Öcalan 2013 aus seiner Zelle auf der Gefängnisinsel Imrali die PKK aufforderte, den bewaffneten Kampf einzustellen, schien man einer friedlichen Lösung so nahe wie nie zuvor.

Tatsächlich hielt die Waffenruhe mehr als zwei Jahre. Dann kam der Anschlag eines IS-Kämpfers auf eine Versammlung in der Grenzstadt Suruc vorige Woche. Es gab 31 Tote, überwiegend junge Kurden. Kurdische Politiker beschuldigten die Regierung, sie habe trotz Hinweisen den Anschlag nicht verhindert.

Der Friedensprozess war aber schon vorher gescheitert – nicht zuletzt daran, dass die Regierung nie klar sagte, wie sie sich eine Lösung vorstellte. Viele Kurden meinen, Erdogan habe den Friedensprozess nur angestoßen, um die Wählerstimmen der Minderheit zu gewinnen. Der Türkei droht jetzt eine neue Welle der Gewalt.