Ankara. . Krieg an zwei Fronten: Die türkische Armee bombardiert Stellungen von IS und kurdischer PKK. Eine Folge: Die Kurden verkünden ein Ende der Waffenruhe.

Artilleriefeuer und Luftangriffe der türkischen Armee auf Stellungen der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS), Bomben auf Lager der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK: Während die Streitkräfte an den Grenzen zum Irak und zu Syrien einen Zweifrontenkrieg führen, dreht sich die Spirale der Gewalt auch im Land selbst immer schneller. Der Kurdenkonflikt bricht wieder auf.

Attacken gegen Polizisten und Soldaten

In der Südosttürkei wurden am Wochenende zwei Soldaten bei einem Sprengstoffanschlag getötet – die Behörden schreiben das Attentat kurdischen Aufständischen zu. In der Stadt Cizre, seit Jahrzehnten ein Brennpunkt der Kurdenrevolte, wurde bei Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und PKK-Anhängern ein 23-Jähriger durch eine Kugel getötet.

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In den Südostprovinzen Diyarbakir und Siirt gab es Feuerüberfälle auf Polizeiwachen, verletzt wurde niemand. Die Angreifer werden in Kreisen der PKK vermutet. Zwischenfälle wurden auch aus Istanbul gemeldet. Im Stadtviertel Okmeydani gaben Unbekannte Schüsse auf Polizisten ab. Dabei wurden ein Beamter und zwei Passanten verletzt.

Eine für den Sonntag in Istanbul geplante Demonstration wurde von den Behörden verboten. Sie sollte dem Andenken an die Opfer des Anschlags von Suruc gelten. Ein Selbstmordattentäter mit mutmaßlichen Verbindungen zum IS hatte am Montag in der Stadt an der syrischen Grenze 31 Menschen, überwiegend junge Kurden, mit in den Tod gerissen.

Damit begann eine Welle der Gewalt. Die PKK warf der Regierung vor, sie habe Informationen über den drohenden Anschlag erhalten, aber nichts getan, um ihn zu verhindern. Aus Rache erschoss die PKK am Mittwoch zwei Polizisten in der Provinz Sanliurfa. Tags darauf griffen Kämpfer des IS aus Syrien einen Militärposten auf der türkischen Seite der Grenze an und töteten einen Offizier.

Noch in der Nacht zum Freitag flog die türkische Luftwaffe zur Vergeltung Angriffe mit drei F-16-Kampfflugzeugen auf grenznahe Stellungen des IS in Syrien. Es waren die ersten direkten Kampfhandlungen zwischen der Türkei und dem IS. Bisher ließ Ankara die Terrormiliz, die den Südosten der Türkei als Rückzugsraum nutzte, weitgehend unbehelligt. Die Regierung in Ankara arbeitet seit Beginn des syrischen Bürgerkrieges auf einen Sturz des Assad-Regimes hin – gegen das auch der IS kämpft. Nun gibt die Türkei ihre jahrelange Zurückhaltung gegenüber dem IS offenbar auf.

IS vertreiben – Sicherheitszone für syrische Flüchtlinge schaffen

So gab die Regierung jetzt den USA grünes Licht für Luftoperationen gegen den IS vom türkischen Nato-Stützpunkt Incirlik. In Zusammenarbeit mit den USA plant die Türkei nun offenbar auch die Einrichtung einer „IS-freien Zone“. Es handelt sich dabei um einen knapp 100 Kilometer langen und 40 Kilometer breiten Streifen auf der syrischen Seite der Grenze.

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Dieses Gebiet wird größtenteils noch vom Islamischen Staat kontrolliert. Der Plan sieht vor, die Terrormiliz mit Luftangriffen komplett aus dieser Region zu vertreiben. Danach soll dieser Streifen als Sicherheitszone für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge dienen.

Am Wochenende weitete die Regierung die Luftangriffe auch auf Lager der PKK in den Bergen des Nordirak aus und flog erneut Angriffe auf IS-Stellungen, diesmal mit fünf F-16-Jets. Auch türkische Artilleriegeschütze feuerten über die Grenze. Ministerpräsident Ahmet Davutoglu erklärte, es handele sich nicht um punktuelle Angriffe: „Diese Operationen werden fortgesetzt, so lange es eine Bedrohung gegen die Türkei gibt.“ Damit dürfte der im Frühjahr 2013 geschlossene und seither von beiden Seiten weitgehend eingehaltene Waffenstillstand Geschichte sein. Die PKK erklärte die Waffenruhe für beendet.