Essen. . Die drei Ruhrgebiets-Universitäten starten eine gemeinsame Initiative. Ziel ist es, neue Werkstoffe zu entwickeln, etwa für medizinische Implantate.

Wenn man so will, könnte der nahtlose Eisenbahnreifen, den Alfred Krupp 1853 zum Patent anmeldete, zum Symbol einer neuartigen Zusammenarbeit der drei großen Universitäten im Ruhrgebiet werden. Krupps Erfindung ebnete dem Unternehmen den Welterfolg, machte das Revier zur Industriemetropole und begründete den Wohlstand der Region.

Auch heute treiben innovative Werkstoffe und die Forschung daran die Entwicklung voran. Daher starten die Uni Duisburg-Essen, die Ruhr-Universität Bochum und die TU Dortmund, verbunden in der Universitäts-Allianz Ruhr (UA Ruhr) jetzt eine gemeinsame Initiative.

Selbstheilende Hüftgelenke

Die Unis werden erstmals ihre Fähigkeiten und Projekte in einem Bereich bündeln. Unter dem Oberbegriff „Materials Chain“ richten sie eine Kooperationsplattform für Material-, Werkstoff- und Produktionswissenschaften ein. Die Forschungskette soll den gesamten Prozess abdecken, von der Grundlagenforschung bis zum fertigen Produkt. Allerdings will man umgekehrt vorgehen: „Vom Bauteil zum Atom“, wie Prof. Detlef Müller-Böling erklärt. Der ehemalige Dortmunder Uni-Rektor soll das hochschulübergreifende Vorhaben im Auftrag der Rektorate koordinieren und die Fachleute an einen Tisch bringen.

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Als Vorbild dienen bereits funktionierende Forschungsprojekte über alle drei Universitäten hinweg: Ein Vorhaben widmet sich zum Beispiel der Frage, wie sich Bauteile herstellen lassen, deren Schutzschicht sich von selbst regeneriert oder erneuert. In der Medizin seien Anwendungen bei Prothesen wie Hüftgelenken oder bei Stents in der Herzchirurgie denkbar. Auch im Maschinenbau, etwa bei Windkraftanlagen oder Motoren, bedeuteten solche Materialien einen Innovationssprung, erläutert Müller-Böling.

Führender Standort

An neuartigen Werkstoffen wird an allen Standorten intensiv geforscht. Sie bilden die Grundlage aller großen Zukunftsfelder wie Energieversorgung und -speicherung, Mobilität, Transport, Gesundheit und Kommunikation, Umwelt und Sicherheit. Die Universitäten der UA Ruhr verfügen bereits über große Forschungskompetenz auf diesem Feld, jede mit anderen Spezialgebieten.

Wie wichtig neue Werkstoffe – ob Nanomaterialien, Kunststoffe, Metalle oder Textilien – für Fortschritt und Wirtschaftskraft sind, ist auch der Bundes- und der Landesregierung bewusst, die Projekte der Materialforschung mit Millionensummen fördern. Mit über 10 000 Unternehmen und Forschungseinrichtungen und rund 200 Milliarden Euro Umsatz sei NRW ein bundesweit führender Standort in der Werkstoffbranche.

Hochschulen wachsen zusammen

Für Müller-Böling ist die geplante Kooperation „ein weiterer großer Schritt der Uni-Allianz“. Das Vorhaben der Unis sei ein offenes Angebot an alle Forscher – ob Physiker, Chemiker, Maschinenbauer, Nanowissenschaftler oder Ingenieure nicht nur in den Universitäten, sondern auch in anderen Wissenschaftseinrichtungen der Region. „Die Frage ist: Was könnt ihr dazu beitragen?“ Anschließend werden konkrete gemeinsame Projekte formuliert.

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Von Wilfried Goebels und Christopher Onkelbach

Ein weiterer Effekt: Durch „Materials Chain“ wird die Hochschulregion auf Dauer noch enger zusammenwachsen, sich vernetzen und international sichtbarer werden. Und zwar auf einer inhaltlichen Ebene, durch konkrete gemeinsame Forschungsarbeit und nicht etwa dadurch, dass eine neue Struktur von oben übergestülpt wird. Dieser Weg sei besser und erfolgversprechender, findet Müller-Böling.

Was ihn, der sich längst seinem wohlverdienten Ruhestand widmen könnte, dazu brachte, noch einmal aktiv zu werden? Der Wissenschaftsmanager ist überzeugt: „Das ist ein grandioses Projekt. Wir stehen am Anfang einer tollen Entwicklung.“