Athen. . Für den Athener Premier steht viel auf dem Spiel. Mit jedem Zugeständnis an die EU gerät er zu Hause weiter in Bedrängnis. Eine Analyse.

Alexis Tsipras kämpft an zwei Fronten: In Brüssel rang der griechische Premier am Donnerstag mit den Gläubigern um einen Kompromiss im Spar- und Reformprogramm. Gleichzeitig wächst in Tsipras‘ Regierungspartei Syriza der Widerstand gegen das, was vor allem Abgeordnete vom kommunistischen und linksextremen Flügel des Linksbündnisses als Verrat an den Wahlversprechen der Partei betrachten. Es steht viel auf dem Spiel: In Brüssel muss Tsipras versuchen, den drohenden Staatsbankrott in letzter Minute abzuwenden. Daheim in Athen geht es um den Bestand seiner Regierung.

Die Zeit zerrinnt: Am 30. Juni läuft das bereits zweimal verlängerte Hilfsprogramm aus. Zurückgehaltene Hilfsgelder von mehr als 18 Milliarden Euro würden dann verfallen – Mittel, die Griechenland dringend braucht, denn am Monatsende muss das Land fällige Kredite des Internationalen Währungsfonds (IWF) von fast 1,6 Milliarden Euro tilgen.

Abstimmung wird zur Zitterpartie

Ein Verhandlungskompromiss würde den Weg zur Auszahlung der bereitstehenden Hilfsgelder ebnen. Voraussetzung dafür ist, dass die Vereinbarung zuvor vom griechischen Parlament gebilligt wird. Das müsste spätestens bis Sonntag geschehen.

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Doch für Tsipras würde die Abstimmung zu einer Zitterpartie. Auf die Griechen kämen weitere Steuererhöhungen und Einschnitte bei den Renten zu. Alexis Mitropoulos, ein führender Syriza-Politiker und Vizepräsident des Parlaments, warnt bereits, das Programm werde „Schwierigkeiten haben, durchs Parlament zu kommen“. Der Abgeordnete Giannis Michelogiannakis will ebenfalls gegen das Abkommen stimmen. „Die Maßnahmen sind ein Verbrechen“, sagt er. Auch bei Tsipras‘ Koalitionspartner, der ultra-rechten Partei Unabhängige Griechen (Anel), regt sich Widerstand.

Harte Kritik am Regierungskurs

Der Anel-Abgeordnete Dimitris Kammenos publizierte jetzt auf seiner Facebook-Seite eine Fotomontage, die das Eingangstor des KZ Auschwitz zeigt. Der Spruch „Arbeit macht frei“ über dem eisernen Tor ist durch die Worte „Wir bleiben in Europa“ ersetzt – jenes Motto, mit dem Tausende Griechen in den vergangenen Tagen auf dem Athener Syntagmaplatz für einen Verbleib in der Eurozone demonstrierten. Kammenos argumentiert dagegen, Europa habe die Griechen in einen „ökonomischen Holocaust“ geführt.

Im Internetportal „Iskra“ des linksextremen Syriza-Flügels „linke Plattform“ hieß es, die Gläubiger verlangten „die totale Unterwerfung und exemplarische Bestrafung des griechischen Volkes“. Mit ihren Zugeständnissen in den Verhandlungen habe die Regierung die Gläubiger „auf den Geschmack gebracht, weitere barbarische Maßnahmen zu verlangen“.

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Auch in Regierungskreisen wird immer häufiger der Verdacht geäußert, den Euro-Partnern gehe es bei den Verhandlungen nicht mehr um ein nachhaltiges Spar- und Reformkonzept. Das eigentliche Ziel sei ein „Regime change“, ein Machtwechsel in Athen. Anders sei nicht zu erklären, „dass die Gläubiger immer neue Forderungen nachschieben“, sagte ein Regierungspolitiker am Donnerstag.

Syriza in Umfragen weiter vorn

Tatsächlich könnten die Tage der erst vor fünf Monaten gewählten Regierung gezählt sein. Tsipras kann zwar damit rechnen, dass er bei der entscheidenden Abstimmung Unterstützung aus Kreisen der Opposition bekommt. Dennoch droht ihm eine Niederlage: Wenn ein Abkommen mit den Gläubigern nicht die Zustimmung der Abgeordneten der Koalition erhält, müsse man Neuwahlen herbeiführen, sagte Regierungssprecher Gabriel Sakellaridis.

Zu einem Machtwechsel würde ein vorgezogener Urnengang aber wohl nicht führen – im Gegenteil: In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Public Issue für die Syriza-Parteizeitung „Avgi“ von der vergangenen Woche kommt die Regierungspartei auf 47,5 Prozent. Das ist ein Zugewinn von elf Prozentpunkten gegenüber der Wahl von Ende Januar.

Tsipras hätte damit eine klare absolute Mehrheit im Parlament. Die konservative Nea Dimokratia liegt in der Umfrage weit abgeschlagen mit nur noch 19,5 Prozent auf dem zweiten Platz.