Brüssel. . Als schon alles auf eine Einigung im Schuldenstreit hindeutete, kam der Rückschlag. Es folgte ein hektischer Beratungsmarathon mit offenem Ausgang.

Es war – mal wieder – ein dramatischer Tag in Brüssel. Und wieder kam es anders als alle erwartet hatten.

Schienen am Morgen die Zeichen noch auf Einigung zwischen griechischer Regierung, den Geldgebern und der EU zu stehen, so begann gegen Mittag das große Zittern. Da nämlich sickerten aus Athen die ersten Meldungen durch, die besagten: Der Kompromiss steht auf der Kippe. Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras kritisierte vor seinem Abflug nach Brüssel die Haltung der Geldgeber zu seinen jüngsten Reformvorschlägen und bezweifelte deren Interesse an einer Einigung. Athen habe Maßnahmen präsentiert, die den Anforderungen der Gläubiger genügten, sagte Tsipras nach Informationen, die aus Regierungskreisen nach Brüssel transportiert wurden.

Alles wieder auf Anfang, also?

Tsipras kritisiert die Geldgeber

In Brüssel begann dann ein hektischer Sitzungsmarathon. Tsipras traf sich mit den Chefs der drei Gläubiger-Institutionen Mario Draghi (Europäische Zentralbank), Christine Lagarde (Internationaler Währungsfonds) und Jean-Claude Juncker (Europäische Kommission), um verbliebene Meinungsverschiedenheiten auszuräumen, wie es hieß.

Vor den Gesprächen beschwerte sich Tsipras noch, seinem Land werde es von den Kreditgebern besonders schwer gemacht. Die Gläubiger hätten nämlich immer wieder griechische Vorschläge für „gleichwertige Maßnahmen“ zurückgewiesen, also Ideen, wie man die Spar- und Reform-Vorgaben mit anderen, aus Athener Sicht sozialeren Mitteln erreichen könnte.

Mit den Krisenländern Irland und Portugal sei man nicht so umgesprungen, erklärte der verärgerte Premier über den Kurznachrichtendienst Twitter: „Diese merkwürdige Haltung deutet darauf hin, dass es entweder kein Interesse an einer Einigung gibt oder hier Sonderinteressen vertreten werden.“ Der Vorwurf richtete sich offenbar vor allem gegen Vorbehalte des IWF, der bemängelt, der griechische Reformplan setze zu stark auf Erhöhungen von Unternehmens- und Umsatzsteuern und zu wenig auf Einsparungen. Der IWF forderte offenbar weitere Rentenkürzungen, noch stärkere Einsparungen bei den Rüstungsausgaben sowie eine Abkehr Athens von der geplanten Erhöhung der Unternehmenssteuern.

Aus Sicht der Bundesregierung führt indes kein Weg am IWF vorbei. Die Washingtoner Organisation müsse als Institution „wie auch auf der finanziellen Seite“ an Bord bleiben, hieß es in Berlin. „Für uns ist eine Lösung ohne den IWF nicht denkbar.“

Nach dem Ende der ersten Verhandlungsrunden drang zunächst kaum etwas nach draußen. Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem hatte noch vor dem Treffen auf die Frage, ob es im Streit um ein griechisches Reform- und Sparpaket eine Einigung gebe, geantwortet: „Wir haben noch Arbeit vor uns.“ Der Chef des Euro-Rettungsschirms ESM, Klaus Regling, betonte ebenfalls: „Wir arbeiten hart daran.“

Später dann, nach dem Treffen, streuten Diplomaten: Nichts sei entschieden, alles denkbar. Zweckpessimismus? Taktik? Oder gab es wirklich nichts zu vermelden? Die Hängepartie ging weiter. Nun wartete alles auf die Euro-Finanzminister, die sich ab 19 Uhr hinter verschlossenen Türen des Griechen-problems annehmen mussten.

Sondergipfel nicht ausgeschlossen

Sie müssen klären, ob ein hinreichend genauer und glaubwürdiger griechischer Reform-Plan vorliegt – und ob im Gegenzug noch vor Monatsende die dringend benötigten 7,2 Milliarden Euro ausstehender Kredite freigegeben werden können. Die Staats- und Regierungschefs, so viel wurde dann klar, wollen darüber bei ihrem Treffen am heutigen Donnerstag nicht mehr im einzelnen verhandeln, das Thema Griechenland steht dann offiziell gar nicht auf ihrer Tagesordnung.

Eine Sondersitzung der Euro-Staaten auf Gipfel-Ebene wird aber nicht ausgeschlossen. Gegebenenfalls könnten Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Euro-Kollegen eine „politische Prozesssteuerung“ liefern, hieß es in der Bundesregierung.