Paris. . Der US-Geheimdienst NSA spähte jahrelang auch Pariser Spitzenpolitiker aus. Jetzt kommen in der französischen Presse peinliche Details aus den Protokollen ans Licht.

Der US-Geheimdienst NSA hat offenbar jahrelang in großem Stil die letzten drei französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac, Nicolas Sarkozy und François Hollande, deren engste Berater und mehrere Ministerien ausgespäht. Das geht aus Geheimdokumenten hervor, die die Pariser Tageszeitung „Libération“ und die Internet-Plattform „Mediapart“ veröffentlichten und die ihnen von Wikileaks zugespielt worden waren.

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Die Papiere sind für Hollande unangenehm. Denn die NSA-Protokolle gewähren einen seltenen Einblick hinter die Kulissen der Regierung des Präsidenten. Ein Teil stammt aus der Anfangszeit von Hollandes Amtszeit. Dabei wurde offenbar auch ein Gespräch abgehört, in dem Hollande über ein Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel am Tag seines Amtsantritts am 15. Mai 2012 berichtet.

Hollande über Merkel: "Es war reine Show"

Merkel kommt dabei nicht gut weg. Thema des Treffens, so schildern es die amerikanischen Geheimdienstler in einer Depesche, sei die Eurokrise gewesen. Hollande habe sich intern darüber beschwert, das Gespräch mit Merkel habe „keine Substanz“ gehabt: „Es war reine Show.“

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Obwohl die Wellen der Empörung nach der Veröffentlichung hochschlagen, wollte sich Hollande erst einmal nicht öffentlich äußern. Stattdessen trommelte er den Verteidigungsrat zusammen. Dessen Krisensitzung ließ der Elysée-Palast ein Kommuniqué folgen, das die „inakzeptablen“ Umtriebe der NSA auf französischem Territorium verurteilt und auf die „strikte Einhaltungen“ der Zusagen Washingtons pocht.

Wenig später wurde die amerikanische Botschafterin einbestellt. Schon zuvor hatte das Weiße Haus auf die Enthüllungen reagiert und versichert, dass Hollande nicht überwacht wird. Wohlgemerkt: wird, nicht wurde.

Doch fernab der empörten Reaktionen dürften sich französische Regierungsmitglieder in diesem Punkt kaum Illusionen gemacht haben, seitdem im Herbst 2013 bekannt wurde, dass die Amerikaner das Handy von Angela Merkel abhörten. Bezeichnenderweise drängte Hollande Anfang 2014 bei einem Treffen mit US-Präsident Barack Obama in Washington auf ein Anti-Spionage-Abkommen zwischen den Alliierten, biss damit aber ebenso auf Granit wie die Deutschen.

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Wie der Kanzlerin soll Obama Frankreichs Präsidenten damals jedoch versprochen haben, dass er der NSA die Spionage in befreundeten Staaten fortan untersage. Auf einen Bruch dieser Zusage weisen die nun veröffentlichten Geheimdokumente nicht hin. Dafür aber übertrifft der Spionage-Skandal in Frankreich den in Deutschland um ein Vielfaches.

Telefonate und E-Mails systematisch abgegriffen

Auch wenn eine Bestätigung der Echtheit des von Wiki­leaks vorgelegten Materials noch nicht vorliegt, scheinen die authentisch anmutenden Geheimdokumente nahezulegen, dass die Amerikaner über Jahre hinweg systematisch die offiziellen und privaten Telefonate, E-Mails und Faxe der gesamten französischen Staats- und Regierungsspitze abgriffen. Inhaltlich Hochbrisantes mag sich darin nicht finden lassen, wohl aber Peinliches – wie etwa die Notiz über das Gespräch Hollande-Merkel.

Der Wirbel platzt mitten in die Parlamentsdebatte über ein neues Sicherheitsgesetz vor dem Hintergrund des Terroranschlags auf „Charlie Hebdo“. So soll in Frankreich künftig nicht nur die Vorratsdatenspeicherung bis zu fünf Jahren gestattet werden, sondern auch die totale Überwachung der Telekommunikation von Terrorverdächtigen ohne richterliche Zustimmung. Kritiker sprechen von einem „NSA-Gesetz“, das die Freiheiten der Bürger ebenso nachhaltig einschränke wie der „Patriot Act“ in den USA.