Brüssel/Athen. . Mini-Krisengipfel zu Griechenland in Brüssel: Die Kanzlerin und der französische Präsident wollen dem griechischen Regierungschef Tsipras noch einmal ins Gewissen reden. Athen droht die Pleite. Viel Zeit bleibt nicht mehr.

Neuer Anlauf zur Entschärfung der dramatischen griechischen Schuldenkrise: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich am Mittwochabend in Brüssel mit Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras und mit dem französischen Präsidenten François Holland zu einem Mini-Gipfel verabredet. Das bestätigte ein deutscher Regierungssprecher am Rande der EU-Lateinamerika-Konferenz in der belgischen Hauptstadt. Nach Angaben von EU-Diplomaten könnte Bewegung in den seit Monaten andauernden Schuldenstreit kommen.

Offiziell sollte das Treffen Merkels mit Tsipras und Hollande ein "Meinungsaustausch" über den Stand der Gespräche der Institutionen mit der griechischen Regierung sein. Nach wie vor verhandeln EU-Kommission, Europäische Zentralbank (EZB) und Internationaler Währungsfonds (IWF) mit Athen.

Versöhnung zwischen Juncker und Tsipras

Die Stimmung ist angespannt. Aber es gibt Hoffnungsschimmer. Kommissionschef Jean-Claude Juncker, der sich als Vermittler zwischen Geldgebern und Athen sieht, hatte sich noch bei den G7 sehr verärgert über Tsipras gezeigt. Nun begrüßt der EU-Veteran den 20 Jahre jüngeren Chef der Links-Rechts-Regierung in Athen mit einem Küsschen. Ein Zweier-Treffen am Rande des Gipfels folgt, Diplomaten sprechen von einer Versöhnung.

Jean-Claude Juncker war nachhaltig sauer. Der verschiedentlich als „Griechen-Versteher“ geschmähte EU-Kommissionschef fühlte sich von dem Mann verschaukelt, den er „einen Freund“ nennt. Vorige Woche Mittwoch hatte er Tsipras, Chef der Athener Regierung und der Links-Partei Syriza, eingeladen, um ihm eine Brücke zur Auszahlung dringend benötigter Kredite über 7,2 Milliarden Euro zu bauen. Der Weg, da sind die Gläubiger nur begrenzt nachgiebig, führt über intensivere Spar- und Reformanstrengungen. Tsipras versprach neue Vorschläge. Doch die trafen erst stark verspätet ein und entpuppten sich inhaltlich als enttäuschend.

Pierre Moscovici, der Brüsseler Finanzkommissar beschied die griechische Seite, „dass ihre jüngsten Vorschläge nicht den Stand der Diskussion widerspiegeln“. Es gehe um „den letzten Schub“, sagte ein Kommissionssprecher. Aber dafür gelte: „Der Ball ist eindeutig im Feld der griechischen Regierung.“ Bei mehreren Punkten liegen die Vorstellungen beider Seiten auch nach monatelangen Verhandlungen auseinander, etwa was die Forderungen nach Reform des griechischen Renten- und Mehrwertsteuer-Systems anlangt. Die Kreditgeber wären aber bereit, Auflagen in ihrem Konzept gegen andere Maßnahmen zu tauschen, die denselben Sanierungseffekt im Haushalt haben.

Merkel bekräftigt, Griechenland im Euroraum zu halten

Schlüsselgröße der von Athen verlangten Sparanstrengungen ist der sogenannte Primärüberschuss, also das Haushaltsplus nach Abzug des Schuldendienstes. Hier sind die Kreditgeber – EU-Kommission, Europäische Zentralbank (EZB), Internationaler Währungsfonds (IWF) – bereit, die Anforderungen angesichts des griechischen Rückfalls in die Rezession herunterzuschrauben. So soll der Zielwert für das laufende Jahr nur mehr bei einem Prozent liegen, nicht mehr bei drei. 2016 sollen zwei Prozent reichen, statt 4,5. Nach unbestätigten Informationen hatte Tsipras seinem Freund Juncker dazu grundsätzliche Zustimmung signalisiert – das jüngste Papier aus Athen peilt indes noch niedrigere Werte an.

Aus griechischer Sicht sind nun die Partner an Zug. IWF und EZB müssten von ihren Forderungen Abstand nehmen, die sein Land nur noch tiefer in die Rezession stürzten, verlangte Tsipras in einem Zeitungsinterview. Dass er zugleich mit „dem Ende der Eurozone“ drohte, kam in Brüssel auch nicht gut an. Dennoch erklärte sich Merkel vor der EU-Konferenz mit den Staaten Lateinamerikas und der Karibik (CELAC) zu einem weiteren Gespräch mit Tsipras bereit. Die Kanzlerin bekräftigte ihren Wunsch, Griechenland im Euroraum zu halten.

Griechenlands Partner dürften sich keinesfalls erpressen lassen, forderte der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff: „Der schlechteste und teuerste Weg wäre es, den Forderungen aus Athen nachzugeben, um einen Grexit um jeden Preis zu verhindern.“ Zumal offen ist, wie schlimm das Ausscheiden tatsächlich wäre. Die Denkfabrik Oxford Economics veröffentlichte eine Studie, wonach seit dem Zweiten Weltkrieg weltweit mehr als 70 Länder aus Währungsräumen ausgeschieden sind. Drei Viertel hätten in den folgenden drei Jahren Wachstum verzeichnet – einige freilich auch massive Einbrüche. (mit dpa)