Brüssel. . Die EU muss die Verteilung von Flüchtlingen neu organisieren, möchte die Eu-Kommission. Das könnte Deutschland entlasten. Doch es gibt Widerstand.
Beim Sondergipfel zum Flüchtlingselend im Mittelmeer vor zweieinhalb Wochen hatten Angela Merkel und die anderen Staats- und Regierungschefs das Thema nur am Rand gestreift. Beschlossen wurden damals verstärkte Bemühungen, schiffbrüchige Migranten aufzufischen und an Land zu bringen. Beschlossen wurde aber vor allem ein massiver Einsatz gegen die Schleuser, die aus der lebensgefährlichen Passage übers Mittelmeer ein lukratives Geschäft gemacht haben. Für das politisch heikelste Problem – wohin mit den Ankömmlingen? – wollten die Regierungen erst mal die Vorschläge der Brüsseler EU-Zentrale sehen.
Nach deren Vorstellungen ist „ein dauerhaftes System geteilter Verantwortung der Mitgliedsstaaten für hohe Zahlen von Flüchtlingen und Asylbewerbern“ nötig. Die EU-Außenpolitikchefin Federica Mogherini erläuterte den Ansatz diese Woche im UN-Sicherheitsrat. Ein vorläufiges Verteilungssystem soll bis Ende des Monats vorliegen, bis Ende des Jahres ist der Gesetzentwurf zur grundlegenden Reform der Asylpolitik angekündigt.
Verteilung von Flüchtlingen nach festem Schlüssel
Nach den vorab bekannt gewordenen Plänen zur Migrationsagenda denkt die Kommission an zwei Verteilverfahren. Es geht zum einen um die Aufnahme von Menschen aus Lagern außerhalb der EU („resettlement“). Allein in der Türkei und im Libanon leben derzeit rund 2,8 Millionen Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien in solchen Camps. Davon möchte die Kommission pro Jahr 20.000 in EU-Staaten unterbringen. Zum anderen geht es um Migranten, die es schon in die EU geschafft haben. Sie sollen nach einem festen Schlüssel verteilt werden („relocation“).
Bislang nimmt die Bundesrepublik fast ein Drittel aller Asylersuchen in der EU (32 Prozent von knapp 630.000 im vergangenen Jahr) entgegen. Auch Schweden (13 Prozent) kümmert sich weit überdurchschnittlich um die Neuzugänge. Die kommen zum großen Teil nicht direkt, denn nach den geltenden Regeln („Dublin-Abkommen“) ist das Land zuständig, in dem jemand zuerst Fuß auf EU-Boden setzt. In der Praxis funktioniert das nur lückenhaft. Viele Migranten nutzen die Bewegungsfreiheit des Binnenmarkts und ziehen zum Beispiel aus Italien oder Malta weiter nach Norden.
In den Mitgliedsstaaten stoßen die Brüsseler Pläne nicht auf einhellige Zustimmung. „Wir glauben nicht, dass ein Zwangsverteilungssystem die Antwort ist“, erklärte das Londoner Innenministerium. Ungarns Premier Viktor Orban hat die Ideen der Kommission sogar als „verrückt und unfair“ gebrandmarkt. Und auch aus den baltischen Ländern kommen Bedenken, so dass keineswegs sicher ist, ob Brüssel die nötige Mehrheit im Ministerrat, dem Organ der Regierungen, zusammenbekommt. Diese Sorge treibt auch zuständige Vertreter des Europa-Parlaments um. „Die Mitgliedsstaaten müssen jetzt liefern“, fordert Brigit Sippel, innenpolitische Sprecherin der Sozialdemokraten. Deutschland habe bislang rund 20.000 Syrien-Flüchtlinge aufgenommen, Großbritannien ganze 148. „Das ist nicht fair!“