Berlin. . Zum Jahrestag des Kriegsendes besucht der Bundespräsident einen sowjetischen Soldatenfriedhof. Doch im Bundestag gibt es auch kritische Töne Richtung Moskau.

Es ist kein leichter Gang für den Bundespräsidenten. Vor 70 Jahren endete der Zweite Weltkrieg, doch auf diesem Friedhof begraben sie noch immer die Toten. Vor ein paar Wochen erst haben Munitionssucher im Oderbruch wieder einmal die sterblichen Überreste eines sowjetischen Soldaten entdeckt, neben Teilen eines T-34-Panzers.

Der Rotarmist wird bald in der sowjetischen Kriegsgräberstätte im brandenburgischen Lebus beigesetzt, so wie vor ihm 4800 andere Soldaten der sowjetischen Armee, die im Frühjahr 1945 bei der erbitterten Schlacht östlich von Berlin ums Leben kamen.

Deutschland wurde auch durch Sowjetunion befreit

Joachim Gauck steht vor dem Ehrenmal mit dem Sowjetstern und gedenkt der Toten: „Sie sind gefallen in der letzten großen Offensive, die das Ende von Hitlers Schreckensherrschaft besiegelten“, sagt er. „Ich verneige mich vor ihrem Leid und dem Leid derer, die gegen Hitler-Deutschland gekämpft und Deutschland befreit haben.“ Es ist eine kurze, rhetorisch karge Ansprache, die Gauck zum 70. Jahrestag des Kriegsendes hält.

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Aber dass er an diesem Tag einen sowjetischen Soldatenfriedhof besucht und einen Kranz niederlegt, ist eine besondere Geste: „Wir sind auch durch die Völker der Sowjetunion befreit worden“, hat er im Vorfeld gesagt, „deshalb schulden wir ihnen Dankbarkeit und Respekt.“

Kritische Töne Richtung Moskau

Doch der Präsident hat in jüngeren Jahren ebenso erlebt, wie die Sowjetarmee schnell zum „Garanten der Diktatur“ in der DDR wurde. Und er nimmt sich die Freiheit, daran selbst auf diesem Friedhof zu erinnern: Er verneige sich auch vor dem Leid derer, „denen die Befreiung keine Freiheit brachte, sondern Rechtlosigkeit, Gewalt und Unterdrückung“, sagt Gauck.

Es ist nicht der einzige kritische Ton Richtung Moskau an diesem Tag. Schon im Bundestag ist zuvor deutlich geworden, dass der 8. Mai diesmal nicht so routiniert verläuft. Der renommierte Historiker Heinrich August Winkler hält in der Gedenkstunde des Parlaments in Anwesenheit des Präsidenten und der Kanzlerin eine Rede, die neben dem Blick auf den Irrweg Nazi-Deutschlands auch überraschend aktuelle Bezüge enthält.

Annexion der Krim als „tiefe Zäsur“

Sehr klar kritisiert der emeritierte Berliner Professor die „völkerrechtswidrige Annexion der Krim“ durch Russland, durch die das Jahr 2014 eine „tiefe Zäsur“ in Europa markiere: Die europäische Friedensordnung sei radikal in Frage gestellt.

Inhaltlich liegt Winkler nahe beim Bundespräsidenten. Gauck hört im Bundestag nur zu. Er hat zum Weltkriegs-Gedenken gerade eine Reihe von Terminen absolviert, aber das Staatsoberhaupt belässt es bei der Rolle als Versöhner. Dass Gauck deshalb auch nach Moskau reisen könnte, um an diesem Samstag an der großen Militärparade zum Sieg über Hitler-Deutschland teilzunehmen, hat er indes nicht einmal erwogen. Auch die Kanzlerin hat abgesagt. Angela Merkel wird aber am Sonntag in Moskau am Grabmal des Unbekannten Soldaten gemeinsam mit Putin einen Kranz niederlegen.

Auch das kein bloßer Gedenktermin: Merkel will mit Putin auch über den Ukraine-Konflikt reden.