Berlin. .

Mehr als 850 000 Menschen sterben jedes Jahr in Deutschland – die meisten nach schwerer Krankheit. Die Angst vor Leid und Schmerz am Lebensende lässt den Ruf nach organisierter Sterbehilfe seit Jahren lauter werden – auch deshalb, weil die Versorgung mit professioneller Sterbebegleitung nicht flächendeckend funktioniert. „Wir sind noch längst nicht da, wo wir sein müssten“, räumt Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) ein. Per Gesetz will die Regierung jetzt die Hospiz- und Palliativversorgung stärken. Es soll ein Signal sein: Die Mehrheit der Abgeordneten im Bundestag will im Herbst ein Verbot der organisierten Sterbehilfe durchsetzen. Das lässt sich nur rechtfertigen, wenn gleichzeitig mehr getan wird – gegen die Angst vor einem qualvollen Tod. Was ändert sich im Einzelnen?

Hospize und Kliniken: Die finanzielle Lage der Hospize soll verbessert werden. Der Tagessatz für Patienten wird von 198 Euro auf 255 Euro erhöht. Insgesamt sollen die Krankenkassen künftig 95 Prozent der Kosten finanzieren – statt bislang 90 Prozent. Der Rest soll weiter durch ehrenamtliches Engagement getragen werden – wie es in der Hospizbewegung Tradition ist. Hinzu kommt: Um die Sterbebegleitung in Kliniken zu verbessern, soll den Krankenhäusern die Einrichtung von Palliativstationen erleichtert werden.

Ambulante Sterbebegleitung: Hospizdienste, die zu Sterbenden nach Hause kommen, sollen künftig nicht nur Zuschüsse zu den Personalkosten, sondern auch zu den Sachkosten bekommen – etwa für Fahrtkosten von ehrenamtlichen Mitarbeitern. Nicht nur Privatpersonen, auch Krankenhäuser können solche mobilen Dienste künftig mit Sterbebegleitungen beauftragen und zu ihren Patienten auf die Station holen. Um die Palliativversorgung im ländlichen Raum flächendeckend zu verbessern, sollen die mobilen Expertenteams gestärkt werden.

Beratung: Die Krankenkassen müssen ihre Versicherten künftig individuell über die Palliativ- und Hospizangebote beraten. Menschen im Pflegeheim, die oft keine Angehörigen zu Rate ziehen können, sollen in ihrer Einrichtung die Möglichkeit bekommen, einen umfassenden Versorgungsplan für die letzte Lebensphase zu entwickeln - medizinisch, pflegerisch und seelsorgerisch. Auch das soll Kassenleistung werden.

Gesamtkosten: Die Palliativversorgung wird zur Regelleistung der Kassen. Das Gesundheitsministerium rechnet mit Zusatzkosten von bis zu 200 Millionen Euro. Im vergangenen Jahr gaben die Kassen rund 400 Millionen für die Palliativversorgung aus. Kritiker bemängeln, dass es trotz der Neuregelungen gerade in Pflegeheimen viel zu wenig Personal gebe, um eine würdige Begleitung am Lebensende zu ermöglichen. Patientenschützer fordern daher einen Rechtsanspruch auf professionelle Sterbebegleitung in Heimen.

Sterbenden helfen – Sterbehilfevereine verbieten: Anfang Juli will der Bundestag über die Vorschläge der einzelnen Abgeordneten-Gruppen zur gesetzlichen Neuregelung der Sterbehilfe diskutieren. In der ersten Novemberwoche sollen dann erst das Palliativgesetz und einen Tag später das Sterbehilfegesetz beschlossen werden.

NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) hofft auf die Signalwirkung: „Der Wunsch nach aktiver Sterbehilfe wird in den Hintergrund treten, wenn eine gute professionelle Versorgung Sterbender selbstverständlich ist.“ Steffens’ Parteikollegin Renate Künast, die in Berlin zu den wenigen Abgeordneten gehört, die Sterbehilfevereine nicht grundsätzlich verbieten wollen, findet das Palliativgesetz jedoch „zu mutlos“ und die Verbotsdebatte falsch.

Die Not der Betroffenen und ihrer Angehörigen sei groß, sagte Künast der NRZ: „Wir brauchen an dieser Stelle mehr Fürsorge und nicht mehr Strafrecht.“