Berlin. . Mit einem Kompromiss und verkürzten Speicherfristen räumt die Koalition in Berlin einen zentralenStreitpunkt aus. Doch es gibt bereits Kritik.

Mit einem Einlenken des Justizministers hat die Große Koalition einen zentralen innenpolitischen Streitpunkt ausgeräumt: Die umstrittene Vorratsdatenspeicherung zur Bekämpfung schwerer Verbrechen wird nach fünf Jahren Unterbrechung doch wieder eingeführt – allerdings in einer sehr abgeschwächten Variante: Die Telefon- und Internet-Verbindungsdaten aller Bundesbürger sollen ohne Anlass höchstens zehn Wochen lang gespeichert werden, bis 2010 hatte eine Frist von sechs Monaten gegolten. E-Mail-Kontakte bleiben künftig ganz ausgenommen.

„Wir bringen die Ziele der Verbrechensbekämpfung mit hohen Datenschutzstandards in Einklang“, sagte Justizminister Heiko Maas (SPD) bei der Vorstellung seiner Gesetzes-Eckpunkte. Maas hatte sich lange gegen die Rückkehr zur anlasslosen Datenspeicherung gesperrt, die 2010 vom Bundesverfassungsgericht gestoppt worden war.

Europäischer Gerichtshof lehnte Regelung ab

Vor einem Jahr hatte auch der Europäische Gerichtshof EU-weite Vorgaben zur Datenspeicherung gekippt, seitdem knirschte es in der Koalition. Doch auf Drängen der Union und nach einem Machtwort von SPD-Chef Sigmar Gabriel verständigte sich Maas nun doch mit Innenminister Thomas de Maizière (CDU) auf eine Neuauflage.

Die Pläne: Alle Telekommunikationsunternehmen müssen zweieinhalb Monate lang für jeden Anschluss speichern, mit welchen Rufnummern wann und wie lange über Festnetz, Internet oder Handy eine Verbindung bestand. Inhalte werden nicht erfasst. Auch alle über das Internet aufgesuchten IP-Adressen sollen erfasst werden.

Bewegungs- und Persönlichkeitsprofile bleiben verboten

Die Standortdaten, die sich bei Handy-Gesprächen über die Funkzellen ermitteln lassen, dürfen nur innerhalb von vier Wochen genutzt werden – gegenüber der geltenden Rechtslage ein Mehr an Datenschutz, meinte Maas. Die Erstellung von Persönlichkeits- und Bewegungsprofilen mit solchen Daten soll ganz verboten sein. Und: Der gesamte E-Mail-Bereich wird von der Datenerfassung ausgenommen.

Die Sicherheitsbehörden dürfen die Daten von den Providern nur bei der Verfolgung schwerer Straftaten wie Terror, Mord, Totschlag, sexueller Missbrauch, Menschenhandel, Kinderpornografie, schwerer Raub oder schwere Drogenkriminalität anfordern – und nur nach Genehmigung eines Richters. Die Verbindungsdaten von Berufsgeheimnisträgern wie Pfarrer, Ärzte oder Rechtsanwälte werden zwar auch gespeichert, dürfen aber generell nicht abgerufen werden.

Bosbach drängt zur Eile

Innenminister de Maizière sprach von einem „guten und klugen Kompromiss“. In der Koalition und bei den Innenministern der Länder wurden die Pläne fast durchweg begrüßt. Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses Wolfgang Bosbach (CDU), sagte dieser Zeitung: „Ich bin froh, dass wir angesichts der besorgniserregenden Sicherheitslage dieses wichtige Instrument zur Aufklärung von Straftaten bekommen.“ Er drängt, das Gesetz sollte möglichst noch vor der Sommerpause vom Bundestag beschlossen werden – in einem beschleunigten Verfahren.

Kritiker in der SPD wie der Netzpolitiker Lars Klingbeil bekräftigten allerdings ihre Zweifel, ob ein solches Gesetz verfassungskonform sei. Linke, Grüne und FDP warnen schon vor einem Verfassungsbruch. Alle Bürger würden unter Generalverdacht gestellt, klagte Linken-Fraktionsvize Jan Korte.

Polizei verlangt weitgehendere Rechte

Polizeipraktiker sehen die Einigung mit gemischten Gefühlen. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Oliver Malchow, begrüßte die Pläne (SPD) als „ersten Schritt“, verlangte aber Nachbesserungen vor allem bei den Speicherfristen. „Wir würden uns eine Speicherfrist von sechs Monaten wünschen, aber drei Monate für alle Daten sind das Minimum“, sagte Malchow.

Oft hätten schwere Straftaten eine lange Vorbereitungszeit, deshalb müssten auch die Ermittlungen einen längeren Zeitraum abdecken, um kriminelle Strukturen aufzudecken; andernfalls könne das Instrument ins leere laufen.