Talinn/Lübeck. Estland fürchtet einen russischem Vormarsch Richtung Westen. Das baltische Land sorgt sich um seine Sicherheit - und ruft nach deutschen Truppen.

Angesichts des Kriegs in der Ukraine wünscht sich Estland eine dauerhafte Stationierung europäischer Soldaten unter deutscher Führung im Baltikum. Dies sagte Ministerpräsident Taavi Rõivas am Dienstag nach einem Gespräch mit Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in Tallinn. Im Kriegsgebiet Donbass entbrannten erneut heftige Kämpfe, mehrere Kämpfer wurden getötet.

Estland gehört neben Litauen, Lettland und Polen zu den vier direkten Nato-Nachbarn Russlands. Die Länder sorgen sich wegen der Einmischung Moskaus im Ukraine-Konflikt um ihre Sicherheit. Die Nato hat ihre Präsenz in der Region schon erhöht.

Von der Leyen äußerte sich nicht zu der Forderung nach deutschen Truppen, sicherte Estland aber Solidarität zu. "Ihre Sorgen sind auch unsere Sorgen." Sie kündigte an, dass sich die Bundeswehr in diesem Jahr mit rund 4.400 Soldaten an Manövern in den östlichen Nato-Mitgliedstaaten beteiligt. "Durch die veränderte Politik des Kremls und die Russland-Ukraine-Krise ist verstärkte Sichtbarkeit auch der Nato in dieser Region zweifelsohne wichtig", sagte sie.

Estnischer Präsident warnt: Russland könnte sein Land innerhalb von vier Stunden einnehmen

Mit maßgeblicher Beteiligung Deutschlands wird zurzeit eine neue schnelle Nato-Eingreiftruppe aufgebaut, die zwei bis fünf Tage zur Mobilisierung benötigt. Zweifel an der Reaktionsfähigkeit der Allianz bei möglichen Angriffen wies sie zurück. Zuvor hatte der estnische Präsident Toomas Hendrik Ilves gewarnt, dass Russland sein Land innerhalb von vier Stunden einnehmen könne.

In der Diskussion über eine Rückkehr Russlands in die Gruppe der großen Industrienationen (G7) sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier, dies sei von Fortschritten im Ukraine-Konflikt abhängig. Unmittelbar vor Beginn des Außenministertreffens in Lübeck sagte Steinmeier am Dienstag, Russland werde "ganz dringend" gebraucht, um Konflikte wie in Syrien oder mit dem Iran zu regeln. Moskau müsse aber auch selbst an den "Bedingungen" für eine Rückkehr arbeiten. "Will sagen: Helfen, dass der Ukraine-Konflikt einer Lösung näher kommt." Er habe überhaupt kein Interesse an einer dauerhaften Isolierung Russlands, betonte er.

Außenminister-Treffen der G7 Staaten weiterhin ohne Russland

Wegen der Annexion der Krim-Halbinsel wurde Russland im vergangenen Jahr aus der Gruppe der Industrienationen ausgeschlossen. Bei dem G7-Treffen der Außenminister in Lübeck ist Moskau ebenso wenig dabei wie beim G7-Gipfel der Staats- und Regierungschefs im Juni in Bayern.

Der ukrainische Militärsprecher Andrej Lyssenko berichtete von sechs getöteten und zwölf verletzten Soldaten. Die Aufständischen sprachen von einem Toten in den eigenen Reihen. Separatistenführer Alexander Sachartschenko in Donezk warf dem ukrainischen Militär vor, eine Offensive zu planen, anstatt wie vereinbart Waffen abzuziehen.

Luftwaffe und Marine Großbritanniens überwachten am Dienstag russische Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge in der Nähe Großbritanniens. Die Marine begleitete einen Zerstörer und zwei weitere Kriegsschiffe im Ärmelkanal. Am Nachmittag stiegen Kampfjets auf, nachdem russische Kampfflugzeuge dem britischen Luftraum nahegekommen waren. In den vergangenen Monaten, die von Spannungen zwischen Moskau und dem Westen in der Ukraine-Krise geprägt waren, haben russische Kriegsschiffe öfter britische Gewässer passiert. Auch Flugzeuge hatten sich wiederholt genähert. (dpa)