Berlin. EU-Gesundheitspolitiker wollen alkoholische Getränke teurer machen und das Mindestalter für den Konsum auf 18 Jahre anheben. Brauer protestieren.

Der Gesundheitsausschuss im EU-Parlament hat eine Resolution zur Beschränkung des Alkoholkonsums auf den Weg gebracht, über die das Parlament Ende April abstimmen wird. Der Vorstoß sieht vor, einen Mindestpreis für Alkohol einzuführen, das Mindestalter für den Konsum auf 18 Jahre anzuheben sowie Warnhinweise für Schwangere und zusätzliche Nährwertangaben (Kalorien) vorzuschreiben.

Die Befürworter der Resolution führen als Begründung insbesondere den Kampf gegen Alkoholmissbrauch an. Ob es wirklich zu Preiserhöhungen kommt, ist allerdings fraglich: Am Ende müssen die Mitgliedstaaten im Ministerrat einstimmig entscheiden. Trotzdem befeuert Brüssel nun erneut die Diskussion über den Umgang mit Alkohol.

Brauer beklagen „reflexartige Reaktion mit Steuern und Verboten“

„Wir erkennen auf EU-Ebene leider die schon reflexartige Reaktion mit Steuern und Verboten, wenn die Politik glaubt, Lösungen herbeireden zu können“, klagt Ulrich Biene, Sprecher der Veltins-Brauerei. „Die Menschen im Land können aber inzwischen sehr gut zwischen wirklichem Verbraucherschutz und Bevormundung differenzieren – und lehnen letztere ab.“ Der Brauerbund bezeichnete mögliche Mindestpreise als einen „diskriminierenden und völlig unzulässigen Eingriff“.

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Gegen den Aufdruck von Kalorienangaben hat der Brauerbund nichts einzuwenden, gegen Warnhinweise für schwangere Frauen schon: Diese Hinweise hätten keine präventive Wirkung. Die Krombacher Brauerei schloss sich dieser Auffassung an.

Auch Peter Liese (CDU), EU-Abgeordneter aus Meschede, lehnt die Pläne ab: „Die EU darf nicht den Eindruck vermitteln, dass sie alles vermiest, was Spaß macht.“

Lob für die EU kommt von Jürgen Naundorff von der Suchthilfeorganisation „Blaues Kreuz“: „Dass man sich nun auf europäischer Ebene auch der Problematik des Alkoholkonsums annimmt, ist ein längst überfälliger Schritt. Wir müssen allein in Deutschland von rund 74 000 jährlichen Todesfällen durch Alkoholkonsum ausgehen.“

Für Suchtexpetrten ist der Preis die beste Prävention 

Lässt sich Alkoholmissbrauch durch höhere Preise ­bekämpfen? Der neue Anlauf aus Brüssel befeuert eine alte Debatte um die Suchtpolitik: Suchtexperten ­begrüßen das – sehen aber große Widerstände in Deutschland.

Trinken die Leute weniger, wenn die Preise steigen?

„Wo der Preis steigt, sinkt der Konsum“, sagt Gabriele Bartsch von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) mit Sitz in Hamm. Der Zusammenhang zwischen Preiserhöhungen und Konsu­mentenverhalten sei durch inter­nationale Studien von OECD und Weltgesundheitsorganisation belegt. „Wir kämpfen deswegen schon seit Jahren für eine höhere Alkoholsteuer“, so Bartsch. „Das hat mehr Breitenwirkung als jede Verhaltensprävention.“

Vorsorge durch Aufklärung sei zwar ebenfalls nicht falsch – die Wirkung aber oft ­zweifelhaft: „Von einem einzelnen Kurs lernt ein Jugendlicher nicht viel.“ Die Aussichten darauf, dass die Brüsseler Idee einmal in deutsches Recht umgesetzt wird, hält Bartsch jedoch für nicht besonders groß. „Die Hersteller werden sich ­erfolgreich dagegen wehren“, prophezeit die Hammer Sucht-Expertin.

Wie ist die Lage in Deutschland?

Die Deutschen trinken weniger Bier als noch vor 15 Jahren – dafür aber etwas mehr Wein. Insgesamt ist der Alkoholkonsum leicht zurück­gegangen, doch noch immer trinken fast zehn Millionen Menschen Alkohol in gesundheitlich gefähr­licher Menge – am riskantesten ­verhalten sich junge Männer. Rund 1,3 Millionen Menschen gelten als alkoholabhängig, rund 74 000 Menschen sterben jedes Jahr an den ­Folgen ihres Alkoholmissbrauchs.

Fachleute fordern deswegen seit langem ein Werbeverbot – zuletzt hatte der Deutsche Ärztetag die Bundesregierung zu einer Regelung wie bei der Tabakwerbung gedrängt. In der Türkei gilt seit dem letzten Sommer ein weitreichendes Verbot für Alkoholwerbung, etwa für Supermärkte, Kneipen und Stadien.

Gibt es in Deutschland Erfahrungen mit der Preispolitik als Mittel gegen Alkoholkarrieren?

Mit der „Alkopop-Steuer“ reagierte die rot-grüne Bundesregierung vor gut zehn Jahren auf den massiven Missbrauch von alkoholischen Mixgetränken unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Der Effekt: Konsum und Produktion von „Alkopops“ gingen zurück – doch viele junge Trinker, so die Erfahrung der Suchtberater, mixten sich ihre Getränke einfach selbst oder ­wichen auf Mischgetränke aus, die nicht unter die Steuer fielen.

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Auch der „Apfelsaft-Paragraf“ soll mittels Preispolitik junge Kneipengänger und Biergartengäste vor einer Alkoholkarriere schützen: Seit 2001 ist im deutschen Gaststättengesetz ­geregelt, dass das billigste alkoholfreie Getränk nicht teurer sein darf als das billigste alkoholhaltige. Doch Kontrollen zeigen immer ­wieder: Längst nicht alle Wirte ­halten sich daran.

Klebt künftig auf jeder Bier- oder Weinflasche ein Warnhinweis für Schwangere?

Die Bundesregierung hält wenig ­davon. Zwar kommen nach Expertenschätzungen in Deutschland jährlich etwa 10. 000 Babys mit alkoholbedingten Schädigungen auf die Welt – Entwicklungsstörungen durch Alkoholmissbrauch zählen zu den häufigsten bereits bei der ­Geburt vorliegenden Behinderungen.

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Verpflichtende Warnhinweise für Schwangere, wie es sie seit ­Jahren in Frankreich gibt, will die Bundesregierung aber dennoch nicht einführen. In ihrer Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion heißt es: Wirkungsvoller als eine „Warnpflicht“ seien gezielte Auf­klärungskampagnen für Schwangerschaft und Stillzeit.

Die Sucht­experten der DHS begrüßen dagegen die Idee der EU-Gesundheitspolitiker – auch, damit Frauen früh genug sensibilisiert würden: „Wer schwanger werden will, sollte ab ­sofort aufhören, Alkohol zu trinken, um das Kind von Anfang an zu schützen“, so Gabriele Bartsch.