Tröglitz. Der Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim sorgt für Empörung. Ministerpräsident Haseloff sieht ein bundesweites Problem: “Tröglitz ist überall.“

  • Brandanschlag auf Flüchtlingsheim in Tröglitz in Sachsen-Anhalt.
  • Flüchtlinge sollen jetzt in Privat-Wohnungen unterkommen.
  • Rechtsextreme machen seit Wochen Stimmung gegen das Asylbewerberheim.

In Tröglitz sollen nach wie vor 40 Asylbewerber aufgenommen werden - allerdings später als bislang geplant. Wie ein Sprecher des Innenministeriums von Sachsen-Anhalt am Dienstag in Magdeburg mitteilte, sollten zunächst rund zehn Asylbewerber in privaten Unterkünften untergebracht werden. Später dann solle die Zahl auf 40 erhöht werden. Der Zeitplan sei durch den Brand in dem hergerichteten Wohnhaus durcheinandergeraten - ursprünglich sollten die Flüchtlinge im Mai in Tröglitz ankommen. Über die Details wollen Innenminister Holger Stahlknecht und der zuständige Landrat Götz Ulrich (beide CDU) am Mittag in Magdeburg beraten.

Tröglitz stellt sich quer: "Wir weichen keinen Schritt zurück."

Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sagte der Zeitung "Die Welt": "Wir rechnen mit Familien aus Syrien und anderen Bürgerkriegsgebieten. Wir weichen keinen Schritt zurück."

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In der Nacht zu Samstag war in dem Flüchtlingsheim in Tröglitz ein Feuer gelegt worden. Es ist nun unbewohnbar. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen schwerer Brandstiftung, der Staatsschutz ist eingeschaltet. Ob Fremdenhass das Motiv war, ist unklar. Die Ermittler halten aber einen politischen Hintergrund für naheliegend.

Seit Wochen hatten Rechtsextreme Stimmung gegen das Asylbewerberheim gemacht. Wegen Anfeindungen war im März Bürgermeister Markus Nierth (parteilos) zurückgetreten. Der zuständige Landrat ist unter Polizeischutz gestellt worden. Der CDU-Politiker Götz Ulrich wird bedroht, weil er sich weiter für die Unterbringung von Asylbewerbern in dem kleinen Ort im Süden Sachsen-Anhalts einsetzt. "Was da für Drohungen ausgesprochen werden, das hat schon einen rechtsextremen Hintergrund", sagte Ulrich dem Sender n-tv.

In ganz Sachsen-Anhalt werden nach Angaben des Innenministeriums Asylbewerberunterkünfte mittlerweile besonders gesichert, auch für Nierth (parteilos) wurde der Schutz erhöht. Nierth wird erneut bedroht. "Wir mussten davon ausgehen und hatten auch damit gerechnet, dass wir jetzt neue Drohungen erhalten", sagte seine Frau Susanna Nierth der "Welt". "Wir haben das geahnt, weil wir für Karsamstag die Demonstration nach dem Brandanschlag in Tröglitz organisiert hatten." Die Drohungen seien per E-Mail eingegangen.

Es geht jetzt darum, in Tröglitz Zeichen zu setzen

Der Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt hält eine Unterbringung von Flüchtlingen in Privatwohnungen für die richtige Reaktion. "Ich würde es machen", sagte der stellvertretende Vorsitzende Ulrich Koehler. Es gehe darum, in Tröglitz ein Zeichen zu setzen. "Sonst haben sich die anderen durchgesetzt", fügte der Rechtsanwalt mit Blick auf die Neonazis in der Region hinzu.

Ähnlich äußerte sich der Berliner Politikwissenschaftler Hajo Funke. In dem Ort werde darum gekämpft, ob der Rechtsstaat funktioniere oder nicht. "Wir erleben einen Angriff der NPD, die dort alles tut, um die Aufnahme von Asylbewerbern zu verhindern und den Ort "rein zu halten", wie es in ihrer Sprache heißt. Da entscheidet sich, ob der Rechtsstaat und die engagierten Demokraten kapitulieren und von den Neonazis zurückgeschlagen werden", warnte Funke in der "Passauer Neuen Presse".

Ministerpräsident: "Ein bundesweites Problem"

Ministerpräsident Haseloff machte deutlich, dass der Brandanschlag von Tröglitz kein Einzelfall sei. "Es handelt sich um ein bundesweites Problem", sagte er. "Die Zahl der Übergriffe steigt im gesamten Bundesgebiet deutlich an. Tröglitz ist überall." Nun müsse man sich "in der Bundespolitik mit dieser unsäglichen Entwicklung auseinandersetzen".

Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach sagte der "Passauer Neuen Presse": "Was heute in Tröglitz geschieht, kann morgen anderswo passieren. Den Standort für die Unterbringung von Flüchtlingen aufzugeben, wäre ein fatales Signal."

Flüchtlingsheim in Tröglitz brannte

Nach dem Brandanschlag auf das geplante Asylbewerberheim in Tröglitz...
Nach dem Brandanschlag auf das geplante Asylbewerberheim in Tröglitz... © Getty Images
... ist die Empörung groß: Sachsens-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (hier bei einer Demo vor dem Gebäude)...
... ist die Empörung groß: Sachsens-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (hier bei einer Demo vor dem Gebäude)... © dpa
... wirbt in der kleinen Gemeinde für spontane Unterbringungsmöglichkeiten in Privatwohnungen.
... wirbt in der kleinen Gemeinde für spontane Unterbringungsmöglichkeiten in Privatwohnungen. © Getty Images
Auch in einem Gottesdienst in der kleinen evangelischen Kirche von Tröglitz...
Auch in einem Gottesdienst in der kleinen evangelischen Kirche von Tröglitz... © Getty Images
... trotzten die Einwohner dem Rechtsextremismus. Unter dem Motto...
... trotzten die Einwohner dem Rechtsextremismus. Unter dem Motto... © Getty Images
...
... "Miteinander füreinander" demonstrieren die Tröglitzer für mehr Offenheit. © Getty Images
Die 2700-Einwohner-Ortschaft im Süden Sachsen-Anhalt war zu trauriger Berühmtheit gelangt, ...
Die 2700-Einwohner-Ortschaft im Süden Sachsen-Anhalt war zu trauriger Berühmtheit gelangt, ... © dpa
... als der ehrenamtliche Bürgermeister Markus Nierth Anfang März wegen rechtsextremer Anfeindungen seinen Rücktritt erklärte. Wochenlang...
... als der ehrenamtliche Bürgermeister Markus Nierth Anfang März wegen rechtsextremer Anfeindungen seinen Rücktritt erklärte. Wochenlang... © dpa
... protestierten in Tröglitz Rechtsextreme gegen die Aufnahme von Asylbewerbern - nun ist in dem geplanten Flüchtlingsheim ein Feuer ausgebrochen. Staatsanwaltschaft und Polizei...
... protestierten in Tröglitz Rechtsextreme gegen die Aufnahme von Asylbewerbern - nun ist in dem geplanten Flüchtlingsheim ein Feuer ausgebrochen. Staatsanwaltschaft und Polizei... © dpa
... gehen von vorsätzlicher Brandstiftung aus. Nach bisherigen Erkenntnissen...
... gehen von vorsätzlicher Brandstiftung aus. Nach bisherigen Erkenntnissen... © dpa
... seien in der Nacht zu Samstag ein oder mehrere Täter in das Mehrfamilienhaus eingebrochen. Im Mai...
... seien in der Nacht zu Samstag ein oder mehrere Täter in das Mehrfamilienhaus eingebrochen. Im Mai... © dpa
... sollten dort die ersten von 40 Asylbewerbern einziehen.
... sollten dort die ersten von 40 Asylbewerbern einziehen. © dpa
Der ausgebaute Dachstuhl wurde durch das Feuer zerstört. In dem Haus...
Der ausgebaute Dachstuhl wurde durch das Feuer zerstört. In dem Haus... © dpa
... hätten zuletzt zwei Menschen gelebt, hieß es bei der Polizei. Wer sie sind, war zunächst unklar. Eine Nachbarin habe beide rechtzeitig gewarnt, sie konnten sich unverletzt ins Freie retten.
... hätten zuletzt zwei Menschen gelebt, hieß es bei der Polizei. Wer sie sind, war zunächst unklar. Eine Nachbarin habe beide rechtzeitig gewarnt, sie konnten sich unverletzt ins Freie retten. © dpa
Der Protest gegen die geplante Unterbringung von 40 Flüchtlingen...
Der Protest gegen die geplante Unterbringung von 40 Flüchtlingen... © dpa
... wird von der rechtsextremen Partei NPD angeführt.
... wird von der rechtsextremen Partei NPD angeführt. © dpa
Der zurückgetretene Bürgermeister, Markus Nierth (r.) zeigte sich entsetzt.
Der zurückgetretene Bürgermeister, Markus Nierth (r.) zeigte sich entsetzt. "Davon wird Tröglitz sich wohl nie erholen", sagte. "Ich bin fassungslos, traurig und wütend zugleich." Nierth... © dpa
... rief die Bürger von Tröglitz auf, noch am selben Tag zu einer Kundgebung gegen die Rechtsextremisten zu kommen. Außerdem bot er für die Flüchtlinge zwei private Wohnungen an. Er wünsche sich, dass andere seinem Beispiel folgten.
... rief die Bürger von Tröglitz auf, noch am selben Tag zu einer Kundgebung gegen die Rechtsextremisten zu kommen. Außerdem bot er für die Flüchtlinge zwei private Wohnungen an. Er wünsche sich, dass andere seinem Beispiel folgten. © dpa
Sachsens-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) informierte sich nach dem Anschlag auf das Flüchtlingsheim in Tröglitz über den Zustand des ausgebrannten Hauses (im Hintergrund).
Sachsens-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) informierte sich nach dem Anschlag auf das Flüchtlingsheim in Tröglitz über den Zustand des ausgebrannten Hauses (im Hintergrund). © dpa
Haseloff begrüßte auch Einsatzkräfte der Feuerwehr.
Haseloff begrüßte auch Einsatzkräfte der Feuerwehr. © dpa
Zudem sprach er auf einerKundgebung mit dem Motto
Zudem sprach er auf einerKundgebung mit dem Motto "Miteinander, Füreinander". © dpa
Mehrere Hundert Teilnehmer hatten sich nach dem Brand spontan zu der Kundgebung in Tröglitz versammelt.
Mehrere Hundert Teilnehmer hatten sich nach dem Brand spontan zu der Kundgebung in Tröglitz versammelt. © dpa
Der zurückgetretene Bürgermeister von Tröglitz, Markus Nierth (r), sprach ebenfalls auf der Versammlung. Er war vor wenigen Wochen von seinem Amt zurückgetreten, weil er von Rechten bedroht wird.
Der zurückgetretene Bürgermeister von Tröglitz, Markus Nierth (r), sprach ebenfalls auf der Versammlung. Er war vor wenigen Wochen von seinem Amt zurückgetreten, weil er von Rechten bedroht wird. © dpa
«Refugees welcome» steht am auf einem Transparent an einer alten Eisenbahnbrücke nahe Tröglitz. Nicht alle in der Gegend teilen diese Meinung.
«Refugees welcome» steht am auf einem Transparent an einer alten Eisenbahnbrücke nahe Tröglitz. Nicht alle in der Gegend teilen diese Meinung. © dpa
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Koehler sagte, in der Regel sei es leichter, Flüchtlingsfamilien zu integrieren, so wie es geplant sei, und nicht einzelne Flüchtlinge. Eine Unterbringung in Tröglitz ablehnen, etwa aus Angst vor Übergriffen, könnten Asylbewerber nicht. Die Betroffenen würden nach einem Schlüssel auf die Länder und dann auf die Gemeinden verteilt. (dpa)