Essen. “Es sieht jetzt so aus, als habe der Co-Pilot das Flugzeug vorsätzlich zum Absturz gebracht“. Das ist der Satz, mit dem Brice Robin, der Staatsanwalt aus Marseille, schockiert hat.
Nach den Auswertungen der Stimmen-Black Box von Flug 4 U 9525 steht fest: Der erst 27-jährige Andreas Lubitz aus Montabaur im Westerwald hat sich bewusst allein im Cockpit eingeschlossen, als der Flugkapitän nach Erreichen der Reiseflughöhe auf die Toilette musste. Dann ließ Lubitz den Germanwings-Airbus in die Bergwand fliegen.
Kühl und knapp, aber detailliert hat Staatsanwalt Robin berichtet, was Dienstagmorgen zwischen 10.30 Uhr und 10.40 Uhr über Südfrankreich vorging:
Nachdem der Kapitän das Cockpit verlassen hat, löst Lubitz „den automatischen Sinkflug aus. Das kann nur absichtlich geschehen“. Als der Kommandant wieder ins Cockpit will, reagiert sein Stellvertreter bewusst nicht. „Lass mich rein“, ruft der Kapitän, klopft leise, dann laut. Er tritt gegen die Tür. Vergeblich. „Man hört ihn nur atmen“, sagt Robin über den Co-Piloten. Regelmäßig und normal sei das gewesen „bis zum endgültigen Aufprall“. Erst kurz vor dem Ende habe man auch Schreie aus der Kabine wahrnehmen können.
Innenminister schließt Terror-Hintergrund definitiv aus
In Berlin hat Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) einen Terror-Hintergrund des unglaublichen Vorgangs definitiv ausgeschlossen. Das hatte schon eine Sicherheitsüberprüfung des Flugpersonals am Dienstag ergeben. Also Suizid. Spektakuläre Piloten-Selbstmorde hat es öfter in der Luftfahrt-Geschichte gegeben.
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Wer ist Andreas Lubitz? In seiner Heimat galt er als ruhiger Typ, begeisterter Segelflieger. Auffällig nur: Er hat seine Ausbildung bei der Lufthansa für ein halbes Jahr unterbrochen, musste dann noch einmal eine psychologische Prüfung machen. Über die Gründe schweigt die Lufthansa. Die Prüfung habe er bestanden, sagt Lufthansa-Chef Carsten Spohr. Die Polizei durchsuchte gestern Lubitz’ Wohnungen in Montabaur und Düsseldorf.
„Eine schier unfassbare Dimension“ nannte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Nachricht aus Marseille. Fassungslos auch Angehörige der Opfer, die gestern nach Frankreich geflogen wurden.
Technik der Cockpit-Tür rückt ins Zentrum des Interesses
Ins Zentrum der Debatte rückt die spezielle Technik der Cockpit-Tür. Sie ist seit den Terroranschlägen des September 2001 vorgeschrieben. Die Türen sind seither nur von innen zu öffnen. Von außen geht das nur durch Codes. Doch diese Verschlüsselungen sind wiederum durch eine Blockade („Lock“) aus dem Cockpit auszuhebeln. In Luftfahrtkreisen führt das seit Längerem zu Debatten, nachdem ein ähnlich verlaufener Piloten-Selbstmord 2013 in Südafrika Dutzende Tote gefordert hatte. Auch strittig: Dass in Deutschland - anders als in den USA - der Aufenthalt einer zweiten Person im Cockpit während des Fluges nicht zwingend vorgeschrieben ist.
Während Lufthansa-Chef Spohr dies verteidigt - „fast alle Länder in Europa“ machten das so - handelte Norwegen gestern. Dort ist es, wie jetzt auch bei einer kanadischen Fluggesellschaft, ab sofort verboten, dass sich Piloten während des Fluges „vorne“ alleine aufhalten.
Anmerkung der Redaktion: Wir haben uns nach eingehender, kontroverser Diskussion dazu entschlossen, das Bild des Co-Piloten zu zeigen und seinen vollen Namen zu nennen. Die zentrale Frage, die wir uns gemeinsam mit unseren Lesern stellen, war und ist: Wer ist zu einer solchen Tat fähig? Wir hatten und haben abzuwägen zwischen dem Recht der Familie des mutmaßlichen Täters, geschützt zu werden, und dem Recht der Öffentlichkeit, alle relevanten Informationen zu erhalten. In diesem Fall haben wir uns für eine umfassende Veröffentlichung in Wort und Bild entschieden. Angesichts des Ausmaßes der Tragödie sehen wir Andreas Lubitz als eine Person der Zeitgeschichte.