Düsseldorf. . Nach dem Absturz legte sich eine beklemmende Stille über den Düsseldorfer Flughafen. Notfallseelsorger und Ärzte kümmerten sich um all jene, deren Lieben auf dem Flug von Barcelona starben.

Minuten schon läuft er da auf und ab. Ein großer, kräftiger Mann mit schwarzem Haar und Bart. Ein Angehöriger sicher, ein Ehemann, ein Vater vielleicht. Läuft und läuft und weiß nicht, wohin mit seinem Schmerz. Vergräbt sein Gesicht in den Händen, um im nächsten Moment zuzuschlagen. Mit bloßer Faust und aller Kraft auf ein Metallgeländer des Flughafens. Szenen der Hilflosigkeit, der Wut, wie sie sich gestern in Düsseldorf abspielen. Eine unter vielen.

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Es ist kurz vor zwölf Uhr mittags, die Nachricht vom Flugzeug-Absturz über den französischen See-Alpen ist schon über die Nachrichten verbreitet worden, da wirbt der Reklame-Einspieler auf WDR 2 noch fröhlich für Urlaubsflüge mit Germanwings. Auf den Monitoren in der Ankunftshalle des Flughafens klafft hinter der Flugnummer 4U 9525 Barcelona längst eine vielsagende Lücke, die auch nicht mehr geschlossen wird. Hinter den acht, neun folgenden Flügen steht inzwischen „Gelandet“. Nur 4U9525 aus Barcelona wird nicht mehr kommen, so sehr man es sich auch wünschen mag.

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Ehepaare halten sich an den Händen

Stattdessen reißt der Strom der Menschen nicht ab, die aus der Ankunftsebene des Flughafens in Richtung Vip-Lounge begleitet werden. Männer und Frauen, die ursprünglich angereist waren, um ihre Lieben abzuholen. Kollegen, Angehörige, die es nach der furchtbaren Nachricht nicht mehr zu Hause hält, die Gewissheit suchen. Neben ihnen Polizisten, Seelsorger, Angehörige des so genannten „Care Teams“ des Flughafens in ihren blauen Westen.

Sie lassen sich leiten, sich den Weg weisen, sich abschirmen; sie informieren handytelefonierend Freunde und Angehörige, und je länger der Tag dauert, um so häufiger sind sie darauf angewiesen, sich stützen zu lassen. Frauen weinen, werden untergehakt, scheinen den Weg nur mit Mühe zu schaffen. Ehepaare halten sich an den Händen.

Eine Taxifahrerin, die ihren Wagen in unmittelbarer Nähe abgestellt hat und auf Kunden wartet, erlebt einige dieser Momente mit, schüttelt traurig den Kopf und sagt: „Wie schrecklich! Ich hoffe immer noch, dass es nicht wahr ist!“

Sicherheitsvorkehrungen drastisch erhöht

Als die Nachricht neu war gegen 11.40 Uhr, da sprang sie noch von einem zum anderen: „Hast du gehört . . .?“ Sehr viele Menschen telefonieren, schreiben Nachrichten, empfangen sie. Doch dann legt sich eine gedämpfte, eine beklemmende Stimmung über den Flughafen. Viele Polizisten sind zu sehen, dazu Sicherheitsleute; Mitarbeiter unterhalten sich bei Dienstbeginn darüber, dass die Sicherheitsvorkehrungen drastisch erhöht wurden: „So scharf haben sie mich noch nie kontrolliert!“

Germanwings-Jet abgestürzt

Dieser Jet der Fluglinie Germanwings vom Typ Airbus A320 mit der Kennung D-AIPX ist in den französischen Alpen abgestürzt. Die Absturzstelle...
Dieser Jet der Fluglinie Germanwings vom Typ Airbus A320 mit der Kennung D-AIPX ist in den französischen Alpen abgestürzt. Die Absturzstelle... © Stefan Siegenthaler
...liegt in der Nähe des Ortes Barcelonnette, wie die Website Flightradar24 zeigt. Der Airbus war von Barcelona aus nach Düsseldorf unterwegs. Die ersten Fotos...
...liegt in der Nähe des Ortes Barcelonnette, wie die Website Flightradar24 zeigt. Der Airbus war von Barcelona aus nach Düsseldorf unterwegs. Die ersten Fotos... © dpa
...vom Absturzort: Ein Helikopter fliegt über eine Stelle, an der Helfer neben Wrackteilen arbeiten...
...vom Absturzort: Ein Helikopter fliegt über eine Stelle, an der Helfer neben Wrackteilen arbeiten... © dpa
Ort des Grauens: Die Wrackteile liegen verstreut an einem Berghang. Zur Unfallursache gab es am Dienstag noch keine Erkenntnisse, dafür reichlich Spekulationen. Fakt ist: Die Maschine hatte kurz nach Erreichen ihrer Reiseflughöhe stark an Höhe verloren.
Ort des Grauens: Die Wrackteile liegen verstreut an einem Berghang. Zur Unfallursache gab es am Dienstag noch keine Erkenntnisse, dafür reichlich Spekulationen. Fakt ist: Die Maschine hatte kurz nach Erreichen ihrer Reiseflughöhe stark an Höhe verloren. © dpa
Zahlreiche Medien am Flughafen Düsseldorf. Der Absturz ist der erste in der Geschichte der Fluglinie Germanwings. An Bord der Maschine waren insgesamt 150 Menschen...
Zahlreiche Medien am Flughafen Düsseldorf. Der Absturz ist der erste in der Geschichte der Fluglinie Germanwings. An Bord der Maschine waren insgesamt 150 Menschen... © dpa
...Auf Anzeigetafel des Flughafen in Düsseldorf war der abgestürzte Germanwings-Flug 9525 aus Barcelona verzeichnet. Angehörige waren geschockt, als sie vor Ort vom Absturz erfuhren.
...Auf Anzeigetafel des Flughafen in Düsseldorf war der abgestürzte Germanwings-Flug 9525 aus Barcelona verzeichnet. Angehörige waren geschockt, als sie vor Ort vom Absturz erfuhren. © dpa
Ein Mitarbeiter des Flughafen Care Team läuft am 24. März am Flughafen Düsseldorf begleitet von Polizisten mit Angehörigen von Insassen des abgestürzten Airbus.
Ein Mitarbeiter des Flughafen Care Team läuft am 24. März am Flughafen Düsseldorf begleitet von Polizisten mit Angehörigen von Insassen des abgestürzten Airbus. © dpa
Der Flughafen hatte einen VIP-Raum abgesperrt, wo sich Angehörige der Opfer versammelten.
Der Flughafen hatte einen VIP-Raum abgesperrt, wo sich Angehörige der Opfer versammelten. © dpa
Ähnliches Bild am Flughafen Barcelona. Auch dort treffen Angehörige von Reisenden des Germanwings-Flugs ein und werden von Notfallseelsorgern betreut.
Ähnliches Bild am Flughafen Barcelona. Auch dort treffen Angehörige von Reisenden des Germanwings-Flugs ein und werden von Notfallseelsorgern betreut. © Getty Images
Frankreichs Präsident Francois Hollande bei einer Pressekonferenz nach dem Unglück. Nach ersten Angaben wird ausgeschlossen, dass eventuell schlechtes Wetter vor Ort Grund für den Absturz haben könnte.
Frankreichs Präsident Francois Hollande bei einer Pressekonferenz nach dem Unglück. Nach ersten Angaben wird ausgeschlossen, dass eventuell schlechtes Wetter vor Ort Grund für den Absturz haben könnte. © dpa
Dieses Foto zeigt die französische Gemeinde Barcelonette im Nordosten des Département Alpes-de-Haute-Provence. In der Nähe des Ortes ist der Airbus abgestürzt. Eine Screenshot...
Dieses Foto zeigt die französische Gemeinde Barcelonette im Nordosten des Département Alpes-de-Haute-Provence. In der Nähe des Ortes ist der Airbus abgestürzt. Eine Screenshot... © dpa
von Google Earth zeigt das Gebiet, in dem der Airbus zu Boden gestürzt ist.
von Google Earth zeigt das Gebiet, in dem der Airbus zu Boden gestürzt ist. © dpa
Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte:
Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte: "Der Absturz der deutschen Maschine mit über 140 Menschen an Bord ist ein Schock, der uns in Deutschland - und der Franzosen und Spanier - in tiefe Trauer stürzt". Jede Spekulation über die mögliche Absturzursache verbiete sich, sagte Merkel. © dpa
Trauer auch in Haltern am See: Eine Schülergruppe der Jahrgangsstufe 10 und zwei Lehrerinnen gehören zu den Opfern des Airbus-Absturzes...
Trauer auch in Haltern am See: Eine Schülergruppe der Jahrgangsstufe 10 und zwei Lehrerinnen gehören zu den Opfern des Airbus-Absturzes... © Funke Foto Services
...die Schulleitung hatte den Schulbetrieb am Dienstag nach der sechsten Stunde abgebrochen,...
...die Schulleitung hatte den Schulbetrieb am Dienstag nach der sechsten Stunde abgebrochen,... © dpa
... nachdem man erfahren hatte, das Mitschüler an Bord des abgestürzten Airbus waren.
... nachdem man erfahren hatte, das Mitschüler an Bord des abgestürzten Airbus waren. © Getty Images
Trauer auch in der Nähe des Unglücksortes: Spaniens König Felipe mit Königin Letizia und Frankreichs Staatspräsident Francoir Hollande bei einem Treffen. An Bord des Airbus waren den Angaben nach auch 45 spanische Staatsbürger.
Trauer auch in der Nähe des Unglücksortes: Spaniens König Felipe mit Königin Letizia und Frankreichs Staatspräsident Francoir Hollande bei einem Treffen. An Bord des Airbus waren den Angaben nach auch 45 spanische Staatsbürger. © dpa
Hubschrauber der französischen Armee auf einem Feld im Ort Seyne, in der Nähe der Absturzstelle.
Hubschrauber der französischen Armee auf einem Feld im Ort Seyne, in der Nähe der Absturzstelle. © dpa
Beamte der französischen Gendarmerie in der Nähe der Unglücksstelle...
Beamte der französischen Gendarmerie in der Nähe der Unglücksstelle... © dpa
"Das Flugzeug ist total zerstört", berichtet unterdessen Christophe Castaner, Abgeordneter der Region Alpes-de-Haute-Provence, am Dienstag bei Twitter. Er habe die Unfallstelle gemeinsam mit Innenminister Bernard Cazeneuve überflogen. "Entsetzliche Bilder in dieser Berglandschaft. Es bleibt nichts außer Trümmern und Körpern." © Getty Images
Sichtlich gezeichnet: Germanwings-Chef Thomas Winkelmann gab Auskunft über erste Erkenntnisse nach dem Airbus-Absturz über den französischen Alpen. In waren insgesamt 144 Passagier und sechs Besatzungsmitglieder. Der Kapitän des abgestürzten Flugzeugs habe seit mehr als 10 Jahren für Germanwings und Lufthansa gearbeitet. Auf dem Modell Airbus habe er über 6000 Flugstunden absolviert.
Sichtlich gezeichnet: Germanwings-Chef Thomas Winkelmann gab Auskunft über erste Erkenntnisse nach dem Airbus-Absturz über den französischen Alpen. In waren insgesamt 144 Passagier und sechs Besatzungsmitglieder. Der Kapitän des abgestürzten Flugzeugs habe seit mehr als 10 Jahren für Germanwings und Lufthansa gearbeitet. Auf dem Modell Airbus habe er über 6000 Flugstunden absolviert. © imago/Eibner
Blick auf das Absturzgebiet: Der Airbus verlor stark an Höhe und zerschellte offenbar an einem Berg.
Blick auf das Absturzgebiet: Der Airbus verlor stark an Höhe und zerschellte offenbar an einem Berg. © dpa
Die Karte zeigt den Flugweg des Germanwings-Airbus.
Die Karte zeigt den Flugweg des Germanwings-Airbus. © dpa-infografik
Amtsgeschäfte von Politikern:  Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt nach ihrer Ankunft auf dem Flughafen in Marseille, Frankreich. Von dort fliegen beide mit einem Hubschrauber zum Absturzort der Germanwings-Maschine. Auch Kanzlerin Angela Merkel und NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft werden zur Absturzstelle reisen.
Amtsgeschäfte von Politikern: Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt nach ihrer Ankunft auf dem Flughafen in Marseille, Frankreich. Von dort fliegen beide mit einem Hubschrauber zum Absturzort der Germanwings-Maschine. Auch Kanzlerin Angela Merkel und NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft werden zur Absturzstelle reisen. © dpa
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Und immer wieder die Männer und Frauen vom Flughafen Care Team. Noch immer fliegen Menschen ab, noch immer landen sie in Düsseldorf. Doch all das spielt sich viel leiser als sonst ab. Niemand mag hier an diesem Tag lange verweilen.

„Mein Mann fliegt oft nach Barcelona“, sagt Armgard Krapohl aus Duisburg: „Da ist man doch etwas kribbelig.“ Freilich erwartet sie ihn erst für den frühen Nachmittag aus Spanien zurück. Und Flughafensprecher Thomas Kötter drückt die verbreitete Beklemung zu Beginn einer improvisierten Pressekonferenz im neuen Verwaltungstrakt so aus: „Ich glaube, wir alle hätten uns lieber nicht hier getroffen.“

Angehörige werden abgeschirmt

Draußen, vor der Vip-Lounge, wo es sonst vorbei an Buchsbaum-Kugeln und unter ausladendem Baldachin in die große, weite Welt geht, hat die Flughafen-Feuerwehr einen weißen Schirm aufgespannt, der die Angehörigen vor neugierigen Blicken schützen soll. Flughafen-Mitarbeiter füllen mit Angehörigen Formulare aus, irgendwann eilt auch ein Notarzt mit seiner Ausrüstung herbei.

Krisenbewältigung. Manche der Angehörigen verlassen die Vip-Lounge, verlassen den Ort des Leids schon bald wieder. Mit gesenkten Köpfen, schwerem Schritt. Andere brauchen wohl mehr Betreuung, mehr Trost und auch medizinische Hilfe.

„Ich will erst einmal nicht wissen, wer es ist“

Er ist eben erst gelandet, kam aus dem Urlaub in der Türkei. Im Alltag arbeitet er an diesem Flughafen, als Abfertiger auf dem Rollfeld. Als seine Maschine startete, das war um 11.50 Uhr, da ahnte er noch nichts. „Sie haben wohl alle Informationen von uns Passagieren fern gehalten“, sagt er, der seinen Namen nicht lesen möchte. Doch als er landete, hier in Düsseldorf, da kam sofort ein Kollege auf ihn zu: „Hast Du es schon gehört? Eine unserer Maschinen ist abgestürzt!“

Ein Schock, auch für ihn. „Man kennt ja auch die Crews“, sagt er, „vor allem die, die in Düsseldorf stationiert sind!“ Schiebt den Rollkoffer vor sich her, will nun nach Hause. Nach der Crew des Airbusses hat er seine Kollegen nicht gefragt: „Ich will erst einmal gar nicht wissen, wer es ist!“