Tunis. .

Tunesien steht unter Schock. Einen Tag nach dem Massaker im Bardo-Nationalmuseum versammelten sich am Nachmittag Zehntausende Menschen, um im Parlamentsviertel schweigend der Opfer zu gedenken. Der Attentatsort selbst war wie die benachbarte Nationalversammlung mit Stacheldraht abgesperrt. Zur gleichen Zeit bekannte sich der „Islamische Staat (IS)“ in einer Audiobotschaft zu der Bluttat, pries die „gesegnete Invasion in die Höhlen von Unglaube und Laster im muslimischen Tunesien“ und kündigte weitere Terrortaten an. 3000 junge Tunesier kämpfen für den IS in Syrien und Irak, Hunderte auch im benachbarten Libyen. Weitere 9000 haben die Sicherheitsbehörden in den letzten Monaten nach eigenen Angaben an der Ausreise in die Kampfgebiete gehindert.

Über die genaue Zahl der Getöteten in Tunis herrschte immer noch nicht absolute Gewissheit. Der tunesische Gesundheitsminister Said Aidi erklärte, 20 ausländische Touristen seien erschossen worden sowie ein tunesischer Polizist und zwei der Täter. Andere Quellen sprechen von drei tunesischen Opfern. Fast 50 Menschen wurden nach offiziellen Angaben verletzt, alle durch Schusswunden. Sieben Leichen ließen sich bisher nicht identifizieren. Unter den 13 Identifizierten sind drei japanische Frauen, zwei Spanier, eine Kolumbianerin, ein Australier, eine Britin, eine Belgierin, zwei Franzosen, ein Italiener sowie eine Pole. Deutsche sind entgegen ersten Meldungen offenbar nicht ums Leben gekommen. Ein spanisches Paar, was sich die ganze Nacht zusammen mit einem Museumsangestellten in dessen Büro versteckt hatte, wurde erst Donnerstag früh von Polizisten unverletzt entdeckt und in ein Krankenhaus gebracht.

„Raus mit den Terroristen“

Präsident Beij Caid Essebsi erklärte in einer abendlichen Fernsehrede an die Nation, Tunesien werde gegen die Terroristen „einen erbarmungslosen Kampf bis zum letzten Atemzug“ führen. Tunesien sei angegriffen worden, aber nicht besiegt. „Ich möchte, dass das tunesische Volk versteht, dass wir uns in einem Krieg gegen den Terror befinden, und dass uns diese grausamen Minderheiten keine Angst einjagen.“ Der Chef der islamistischen Ennahda, Rached Ghannouchi, versicherte, er sei überzeugt, das tunesische Volk werde vereint gegen diese Barbarei stehen. Auf dem Boulevard Habib Bourguiba im Zentrum von Tunis hatten sich bereits kurz nach dem Blutbad Tausende empörter Bürger eingefunden, die „Tunesien ist frei“ und „Raus mit den Terroristen“ skandierten.

Nach Augenzeugen begann der Überfall der Attentäter, die Militäruniformen trugen, um 12 Uhr mittags und dauerte insgesamt vier Stunden. Mittlerweile gab die Polizei die Namen der beiden erschossenen Extremisten bekannt, ohne sie jedoch einer Terrorgruppe zuzuordnen. Die beiden seien „wahrscheinlich Tunesier“ und der Staatssicherheit bekannt gewesen, aber nicht mit konkreten Terrorplänen in Verbindung gebracht worden, hieß es in Tunis. Die Sicherheitsbehörden gehen offenbar von bis zu drei weiteren Komplizen aus, die zunächst entkommen konnten. Am Nachmittag gab der Präsidentenpalast bekannt, es seien neun Personen verhaftet worden, von denen vier direkt etwas mit der Bluttat zu tun hätten.

Für Tunesiens Tourismusindustrie mit seinen Stränden, Oasen und antiken Kulturschätzen ist das Attentat ein verheerender Rückschlag. Zwei große Reedereien, die italienische Costa Crociere und die MSC Crociere mit Sitz in Genf, nahmen gestern Tunis bis auf Weiteres aus dem Programm ihrer Kreuzfahrttouren. Die Tourismusbranche trägt etwa sieben Prozent zum tunesischen Bruttosozialprodukt bei und hatte sich gerade erst nach vier Jahren Flaute wieder etwas erholt. 400 000 Arbeitsplätze hängen von der Ferienindus-trie ab, das sind zwölf Prozent aller Beschäftigten.