Berlin/Duisburg. . Experten sehen bei der Auswanderung aber kein Problem, weil so mancher Auswanderer die Vorteile der Heimat schätzen lernt und nach seinem Aufenthalt wieder nach Deutschland zurück kommt.
Die Politik streitet über ein neues Einwanderungsgesetz – gut ausgebildete Zuwanderer sind dringend nötig. Gleichzeitig verlassen jedes Jahr viele hochqualifizierte Bundesbürger das Land: Verliert Deutschland seine besten Köpfe?
Nein, sagt Marcel Erlinghagen von der Uni Duisburg-Essen. Der Soziologe hat zusammen mit anderen Forschern 1700 Auswanderer und Rückwanderer aus zehn deutschen Großstädten befragt – darunter auch Essen und Köln. Seine Studie räumt mit vielen gängigen Vorurteilen über Auswanderer auf.
Die Besten gehen ins Ausland – und gehen damit der deutschen Forschung und Wirtschaft verloren. Stimmt das?
Marcel Erlinghagen: Das stimmt nur auf den ersten Blick. Unter den Auswanderern sind hochqualifizierte Führungskräfte tatsächlich deutlich überrepräsentiert – aber das gilt genauso auch für die Rückwanderer. Wir haben es also nicht mit einem „Braindrain“, einem Abfluss der Besten, zu tun, sondern mit einer Zirkulation. Sicher, es wird immer auch Spitzenkräfte geben, die nicht mehr zurückkommen. Aber es gibt durch Auswanderung keinen dauerhaften Verlust von Hochqualifizierten.
Nur wer im Ausland scheitert, kommt zurück. Richtig?
Erlinghagen: Das lässt sich klar widerlegen. Der Auslandsaufenthalt ist für viele Gutqualifizierte eine geplante, vorübergehende Phase im Karriereverlauf. Das zahlt sich oft auch beim Gehalt aus. Wer nach Deutschland zurückkommt, tut das aus verschiedenen Motiven: wegen der Familie, der Freunde und nicht zuletzt deshalb, weil die Zeit im Ausland den Blick schärft für die Vorteile des deutschen Sozialsystems – zum Beispiel bei der Gesundheitsversorgung. Die Rückkehrer wissen Deutschland wieder zu schätzen, sie gewinnen hier Lebensqualität.
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Es heißt immer: Gut ausgebildete Kinder aus Einwandererfamilien kehren nach der Uni Deutschland den Rücken – weil sie in der Heimat ihrer Eltern bessere Chancen sehen.
Erlinghagen: Das kann man so nicht sagen. Deutsche mit ausländischen Wurzeln sind zwar mobiler als Deutschstämmige, auch deshalb, weil sie familiär eine größere Erfahrung mit dem Wechsel von einem Land zum anderen haben. Aber auch hier sehen wir, dass Auswanderung keine Einbahnstraße ist. Deutsche mit ausländischen Wurzeln gehen zwar öfter ins Ausland, sie kehren aber besonders häufig auch wieder zurück. Überraschend fanden wir, dass Deutsche mit ausländischen Wurzeln als Auswanderer nicht verstärkt in die Heimatländer ihrer Familie gingen, sondern international mobil waren.
Leider lässt sich Auswanderung dann nicht durch geeignete Maßnahmen verhindern…
Erlinghagen: Mobilität ist doch eine Errungenschaft! Aber richtig ist: der Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte wird international zunehmen. Deutschland muss attraktiv bleiben. Die Qualität von Arbeitsplätzen wird immer wichtiger – zum Beispiel die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Arbeitszeit-Regelungen und die Arbeitsorganisation. Das richtet sich an die Politik – aber auch an die Unternehmen.
Braucht Deutschland Ihrer Meinung nach ein neues Einwanderungsgesetz?
Erlinghagen: Ja. Wir müssen für alle Seiten – für Zuwanderer aber auch für uns als Aufnahmegesellschaft – klare Regeln aufstellen und damit allen Sicherheit geben.