Oberhausen/Bochum.. Ein einfacher Gentest vor der Geburt gibt Auskunft über Chromosomen-Veränderungen. Kritiker befürchten eine Diskriminierung Behinderter.
Karl Aldenhoff und Andrea Schick aus Oberhausen haben ein Kind mit Down-Syndrom. Caroline ist schon 14 Jahre alt, und wenn ihr Vater über sie spricht, muss er erst einmal lachen. „Das Leben mit Caro ist herzerfrischend“, sagt er.
Einfach war das Leben aber nicht, sagt Karl Aldenhoff auch. „Von Anfang an haben wir gekämpft.“ Wegen einer Risiko-Schwangerschaft hatten sie sich damals zur Fruchtwasseruntersuchung entschieden. „Ein Bluttest, das wäre doch viel besser gewesen“, sagt Aldenhoff, der damals sofort seinen Job als Selbstständiger an den Nagel gehängt hat, um sich um das Kind zu kümmern, während seine Frau das Geld verdienen ging. „Wir wussten ja, dass es nicht leicht wird.“
Bald als Kassenleistung?
Der Fruchtwasser-Test, bei dem eine Hohlnadel durch die Bauchdecke in die Fruchtblase eingeführt wird, sei eine große Belastung gewesen. „Der Bluttest dagegen ist ein Segen für die Frau“, sagt die Bochumer Expertin für Pränatal-Diagnostik, Frauenärztin Birgit Vittinghoff. Sie arbeitet gemeinsam mit der Uni Bonn an einer Studie zum Bluttest der Firma Lifecodexx aus Konstanz, der seit 2012 auf dem Markt ist.
Da sich nun auch ein Bundesausschuss damit befasst, den einfachen Test, der bisher Privatleistung war, als Kassenleistung zu genehmigen, sind die Behindertenbeauftragten alarmiert. Sie sprechen von „Designer-Baby“ und der Gefahr, dass sich mit dem Test Leben noch einfacher aussortieren lasse. Und dass sich die, die sich für ein behindertes Kind entscheiden, noch stärker rechtfertigen müssten.
Der Arzt dachte an Abtreibung
Karl Aldenhoff kann das nicht nachvollziehen. Sie hätten sich gewünscht, dass ein Blutstropfen ihnen hätte Auskunft geben können. „Und wir hätten uns trotzdem für das Kind entschieden.“ Wie sie es auch nach der Fruchtwasseruntersuchung getan haben. Der Schock war nicht so sehr das Ergebnis der Untersuchung, sondern die Reaktion des Arztes: „Er wollte sofort einen Abtreibungstermin klarmachen.“ Das kam für sie nicht in Frage. Heute sind sie eine glückliche Familie. Manche Leute, so sagt Aldenhoff, könnten das kaum aushalten. Eine Frau habe den Kontakt abgebrochen. „Sie hatte damals eine Abtreibung vornehmen lassen.“
Schon jetzt entscheiden sich über 90 Prozent der Betroffenen nach einem Trisomie-21-Befund durch die Fruchtwasseruntersuchungen für einen Schwangerschaftsabbruch. Hauptgrund für diese Frauen: Sie haben Angst davor, dass das Kind durch die angeborenen gesundheitlichen Einschränkungen wie Herzanomalien oder Immunschwäche, leiden muss. Sie haben auch Angst, das Leben mit dem Kind nicht bewältigen zu können. Laut der Westdeutschen Down-Syndrom-Ambulanz in Velbert haben 40 bis. 60 Prozent der Patienten Herzfehler. Manche müssen schon als Baby mehrfach operiert werden. Auch Caroline hatte schon im Alter von drei Monaten einen Eingriff am Herzen über sich ergehen lassen müssen. Wenn sie erwachsen ist, wird eine Herzklappe ersetzt.
Gestiegene Lebenserwartung
Kinder mit Down-Syndrom haben heute eine Lebenserwartung von 60 Jahren. Doch sie sind anders, sie sehen anders aus, geben sich anders, „umwerfend freundlich und gut gelaunt“, sagt Aldenhoff über seine Caro. Aber sie haben mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen – mal mit leichteren, aber auch mit sehr schweren. Für die Eltern bedeutet das neben der Betreuungsfrage auch ständige Sorge, oft auch Leid. Von den 50 000 Kindern mit Down-Syndrom in Deutschland haben nicht alle die milde Form.
Caroline ist ein fröhliches Kind – und gut in der Schule. Sie geht zur Hauptschule, sollte auf die Förderschule. Die Eltern hielten dagegen. „Wir haben so viel gegen Obrigkeiten gekämpft, dass es uns auf ganzer Linie viel stärker gemacht hat“, sagt der stolze Vater.