Düsseldorf. Die zunehmende Radikalisierung junger Muslime in NRW-Haftanstalten setzt die rot-grüne Landesregierung unter Handlungsdruck. Helfen Knast-Seelsorger?
„Die Landesregierung unterschätzt die Gefahr“, erklärte der Vorsitzende des Bundes der Strafvollzugsbediensteten, Peter Brock. Nach den islamistischen Terroranschlägen von Paris sei man in den 37 Gefängnissen des Landes regelrecht alarmiert.
Weil die Zahl der einsitzenden Sympathisanten eines verfassungsfeindlichen Salafismus steige, erhöhe sich die Gefahr, dass in den Anstalten neue Kämpfer rekrutiert würden. „Die Gefahr, die von Dschihadisten ausgeht, ist enorm“, warnte Brock.
SPD und Grüne dringen auf Handlungskonzept
Die innenpolitischen Sprecher der Mehrheitsfraktionen im Landtag, Hans-Willi Körfges (SPD) und Verena Schäffer (Grüne), forderten die eigene Regierung am Montag auf, ein umfassendes Handlungskonzept zur Bekämpfung des gewaltbereiten Salafismus vorzulegen. Vor allem in den Haftanstalten sollen bis Jahresende „Maßnahmen zur Deradikalisierung“ und „Stärkung der muslimischen Seelsorge“ eingeleitet werden. „Es besteht hohe Dringlichkeit“, bestätigte Schäffer. Anders als in Niedersachsen, wo das Land per Staatsvertrag konsequent die muslimische Gefängnis-Seelsorge ausgebaut habe, gebe es in NRW lediglich in 28 Haftanstalten ehrenamtliche Ansprechpartner aus lokalen Moscheevereinen.
Verband fordert muslimische Seelsorger für die Gefängnisse
Der Bund der Strafvollzugsbediensteten forderte neben der Festanstellung von landeseigenen muslimischen Seelsorgern auch die bessere Fortbildung von Vollzugsbeamten für den Umgang mit Muslimen und radikalisierten Gefangenen. Vor allem die Arbeit der Imame hinter Gittern gilt als Schlüsselzugang zu gefährdeten Häftlingen: Das Land müsse bei der muslimischen Seelsorge sicherstellen, dass Gefangene tatsächlich über den Koran aufgeklärt und nicht weiter radikalisiert würden, so Brock. „Die Mitarbeiter im Justizvollzugsdienst sind völlig unvorbereitet. Auch bei bestem Wollen sind sie überfordert und haben selbst ganz häufig auch Angst ob der Brutalität und der Menschenverachtung bei Islamisten“, kritisierte CDU-Fraktionsvize Peter Biesenbach.
Nach Angaben des Justizministeriums sitzen in NRW zurzeit 32 terroristische Gewalttäter ein, darunter in Untersuchungshaft auch neun Sympathisanten des besonders brutalen Islamischen Staats (IS).