Kairo. .

Nach der Massenenthauptung von 21 koptischen Christen durch den „Islamischen Staat“ (IS) in Libyen stehen die Zeichen am südlichen Mittelmeer auf Krieg. Ägyptens Luftwaffe flog gestern Angriffe gegen Stellungen der ­Terrormiliz in dem Nachbarland. Präsident Abdel Fattah al-Sissi rief eine siebentägige Staatstrauer aus und forderte eine „harte Intervention“.

„Wenn man die Zustände in Libyen sich selbst überlässt, ohne die Aktivitäten der Terroristen zu bekämpfen, bedeutet das eine klare Bedrohung für die internationale Sicherheit und für den Frieden“, hieß es aus Kairo. Auch Frankreich und Italien, das als letzte westliche Nation am Sonntag seine Botschaft in Tripolis schloss, sprachen sich für ein internationales militärisches Vorgehen aus.

Kopten fordern Bestrafung

Die koptische Kirche in Ägypten erklärte, man vertraue darauf, „dass diese große Nation nicht eher ruhen wird, bis die Verbrecher für ihre teuflische Tat bestraft worden sind“. Die 21 ermordeten Ägypter waren am 31. Dezember und 3. Januar in der Nähe von Sirte gekidnappt worden. Sieben wurden von Bewaffneten aus einem Minibus gezerrt, die übrigen 14 aus ihren Wohnungen geholt, nachdem die Dschihadisten das Viertel gezielt nach Christen durchkämmt hatten. Am Sonntagabend stellte der IS dann ein fünfminütiges Video ins Netz, welches die Enthauptung der Opfer zeigt, die gefesselt und in orangen Overalls von ihren schwarz gekleideten Henkern zum Hinrichtungsort an einem Strand paradiert worden waren. Am Ende ist das Meerwasser zu sehen, wie es sich mit Blut mischt.

Einer der Täter spricht auf Englisch eine Drohung in die Kamera: „Zuletzt habt ihr uns in Syrien gesehen, wie wir Köpfe abgeschnitten haben. Jetzt schicken wir euch eine neue Botschaft. Oh ihr Kreuz­fahrer, Sicherheit für euch ist nur noch ein Wunschtraum.“

In Libyen häufen sich seit 2012 die Fälle, bei denen Kopten von libyschen Extremisten getötet, gefoltert, entführt oder misshandelt werden. Am Sonntag wurden in Misrata weitere 21 Ägypter gefangen genommen. Die meisten Opfer stammen aus Oberägypten und halten sich trotz des hohen Risikos in Libyen auf, weil sie zuhause keine Arbeit finden. Die am Sonntag Ermordeten stammten aus der Provinz Minia, die zu den ärmsten Regionen des Landes gehört.

„Blut an ihren Händen“

Angehörige und Menschenrechtler in Kairo warfen den Behörden vor, sich wochenlang nicht um die entführten Christen gekümmert zu haben, anders als vor einem Jahr, als fünf muslimische Diplomaten in Tripolis gekidnappt worden waren, die bereits kurz danach frei kamen. „Die Verantwortlichen haben Blut an den Händen, sie hätten die Opfer retten können, aber sie haben versagt“, erklärte Mina Thabet, von der „Ägyptischen Kommission für Rechte und Freiheit“.

Geografisch wird Ägypten jetzt gleichermaßen von Libyen und vom Sinai aus durch die IS-Terrormiliz bedroht. Im Januar verzeichnete das Land am Nil mit 107 Anschlägen die höchste Zahl von monatlichen Terrorattacken seit Jahrzehnten. Die Dschihadisten auf dem Sinai hatten im November dem selbst ernannten Kalifen Ibrahim, alias Abu Bakr Al-Baghdadi, die Treue geschworen. Wenig später folgten mehrere Kommandos aus Libyen, deren Hochburgen in der Region um Tripolis sowie in der Mittelmeer-Stadt Derna im Osten liegen.

Neue IS-Filialen existieren inzwischen auch in Algerien, Jordanien, Afghanistan und Jemen.