Essen. Die Zahl der Notdienstpraxen für zehn Millionen Menschen im Bezirk Nordrhein schrumpft auf die Hälfte. Kinderärzte halten den erzielten Kompromiss für akzeptabel.
Die zehn Millionen Einwohner im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein müssen in Zukunft mit längeren Wegen zur nächsten Notdienstpraxis rechnen. Die Vertreterversammlung der 19.000 KV-Ärzte hat eine Reform des Notfalldienstes beschlossen.
Die Zahl der Notdienstpraxen wird auf 72 gesenkt. Die Kinderärzte mit ihrem besonders von Einschnitten betroffenen Fachbereich sind dennoch mit den Abschwächungen des ursprünglichen Entwurfs zufrieden.
„Wir haben uns zusammengeruckelt,“ sagte Thomas Fischbach, Landesvorsitzender des Verbandes der Kinderärzte gegenüber dieser Zeitung. Nach den ersten Plänen sollte es nur noch in 15 Nordrhein-Bezirken einen zentralisierten kinderärztlichen Notdienst außerhalb der Sprechstundenzeiten geben.
Beispielsweise in den Städten Duisburg, Oberhausen und Mülheim würde es demnach nur noch einen Anlaufpunkt für Eltern mit kranken Kindern gegeben. Velberter müssten einen sehr umständlichen Weg nach Wuppertal zur einzigen Notdienstpraxis des Bezirks bewältigen.
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Nach dem jetzt gefundenen Kompromiss soll es in sechs der 15 Bezirken eine weitere Kinder-Notdienstpraxis mit eingeschränkten Öffnungszeiten geben. Wo genau, darüber tagen in den kommenden Monaten regionale Gremien.
Außerdem wird die Deckelung der Notdienststunden von 120 auf 50 pro Arzt und Jahr aufgeweicht. Die Ärzte dürfen freiwillig bis 75 Stunden leisten. Dies gilt nicht nur für Kinderärzte, sondern auch für Mediziner anderer Fachbereiche.
Versprochen wird durch die Reform, die laut Fischbach nicht vor 2016 umgesetzt werden kann, Verbesserungen in einzelnen, bislang unversorgten Bezirken in Nordrhein. Eine flächendeckende Versorgung soll so für Kinder-, HNO- und Augenärzte erreicht werden. Zu den weiteren Maßnahmen der Reform zählt eine Verbesserung des Fahrdienstes der ärztlichen Bereitschaft.
KV Westfalen hatte schon 2011 ihr System reformiert
Im Vorfeld hatten die Krankenhäuser den Reformplan hart kritisiert, mit dem nicht zuletzt die Attraktivität des Arztberufs durch eine Verringerung der Dienste gesteigert werden soll.
„Angesichts steigender Fallzahlen in den teilweise bereits überlasteten Notfallambulanzen der Krankenhäuser sind wir deshalb entsetzt. Dies erhöht den Druck auf die Krankenhäuser enorm“, erklärt Matthias Blum, Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen. Der Sozialverband VdK NRW hält in Zeiten verschwindender Hausarztpraxen die Abschaffung von Notfallpraxen für eine „paradoxe Reaktion“.
Die KV Westfalen hat bereits 2011 ihr System Richtung zentralisierte Notfallpraxen reformiert – mit guten Erfahrungen, so Eckhard Kampe, KV-Bezirksleiter Bochum/ Hagen gegenüber dieser Zeitung. „Anfangs gab es auch unter unseren Kollegen große Zweifel“, so Kampe.
Heute wüssten gerade jüngere Kollegen mit Kindern die Vorteile sehr zu schätzen: „Jeder Hausarzt macht drei Notdienste – pro Jahr. Ansonsten haben sie ab 18 Uhr: Feierabend, Handy aus.“