Minsk/Moskau. . Der Verhandlungsmarathon hat nicht nur die Kanzlerin gezeichnet. Lange Zeit hing der Erfolg der Gespräche am seidenen Faden. Am Ende des Nervenkriegs zeigte sich nur Wladimir Putin gut gelaunt.
„Und was haben Sie die ganze Nacht gemacht?“, fragte Wladimir Putin grinsend, als der Gipfel endlich zu Ende war und er vor die Journalisten trat. Der russische Präsident verbreitete gute Laune: Es sei nicht die beste Nacht seines Lebens gewesen, aber der Morgen danach sei schön: „Denn auf das Hauptsächliche haben wir uns einigen können.“
Gegen elf Uhr Ortszeit endete gestern im pompösen Minsker Unabhängigkeitspalast nach rund 16 Stunden der Verhandlungspoker zwischen Wladimir Putin, seinem ukrainischen Amtskollegen Petro Poroschenko, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Francois Hollande mit einem mühsamen Kompromiss.
Der Gipfel war von Anfang an ein Nervenkrieg: „Herr Poroschenko, warum töten Ihre Truppen friedliche Zivilisten?“, rief ein russischer Fernsehkorrespondent dem eintreffenden Ukrainer quer durchs Foyer des Palastes entgegen. Der Schreihals wurde von Sicherheitsbeamten abgeführt.
„Mehrere Eimer Kaffee“
Das Quartett verhandelte Stunde um Stunde, zog seine Delegationen hinzu, vesperte, frühstückte, trank „mehrere Eimer Kaffee leer“ wie der gastgebende Staatschef Alexander Lukaschenko ausplauderte, beriet sich weiter. Nach draußen drangen nur Gerüchte, die mal einen bevorstehenden Durchbruch, mal ein Scheitern ankündigten.
Der russische Außenminister Sergei Lawrow verkündete den wartenden Journalisten zwischendurch lächelnd, die Gespräche liefen „besser als super“, Putinberater Wjatscheslaw Surkow zeigte ihnen dagegen den ausgestreckten Zeigefinger. Ein nach Minsk entsandter „Russia-Today“-Reporter bellte ukrainische Journalistinnen wie ein Hund an, ukrainische Reporter verbreiteten ein Foto, das zeigt, wie Wladimir Putin unter dem Tisch einen Bleistift zerbricht.
Poroschenko polterte
Ein finaler Eklat drohte gegen sieben Uhr morgens, als es schon hieß, die Gespräche gingen zu Ende, dann aber Poroschenko den Verhandlungssaal verließ und polterte, Putin stelle unannehmbare Bedingungen. Etwa zur gleichen Zeit weigerten sich die Führer der ostukrainischen Rebellen, die parallel mit der Kontaktgruppe ukrainischer, russischer und OSZE-Vertreter tagten, das Abkommen zu unterzeichnen. Nachrichtenagenturen meldeten bereits per Eilmeldung das Scheitern der Verhandlungen.
Der Rebellenführer Alexander Sachartschenko unterschrieb laut Merkel gestern nur unter massivem Druck Putins. Und machte hinterher kein Hehl aus seiner Verhandlungsunlust: „Wenn wir irgendwelche Verstöße gegen die Vereinbarungen bemerken, wird es keine neuen Treffen und Memoranden mehr geben.“
Übermüdet ins Flugzeug
Dass es also doch noch zu einer Einigung kam, wertete Kanzlerin Merkel als „Hoffnungsschimmer.“ Aber man dürfe sich keinen falschen Illusionen hingeben, es bleibe noch sehr, sehr viel zu tun. Keine gemeinsame Pressekonferenz, kein von den Staatsführern unterzeichnetes Abkommen. Stattdessen eilten Merkel und Francois Hollande übermüdet zum Flughafen. Allein Poroschenko gab sich kämpferisch: „Wir haben keinerlei Autonomie zugelassen, auch wenn die Gegenseite unbedingt darauf bestand.“
Nun muss sich zeigen, was das Abkommen wert ist. Die Kämpfe an der Front waren zuletzt deutlich heftiger geworden. Die Rebellen melden seit Tagen die Einkesselung von 5000 bis 8000 Ukrainern bei Debalzewo, „natürlich verlangen sie deren Kapitulation“, sekundierte Putin in Minsk.
Semen Sementschenko, Chef des ukrainischen Bataillons „Donbass“ dagegen verkündete auf Facebook, die Ukrainer hätten gestern das Dorf Logwinowo zurückerobert und damit die Einkesselung durchbrochen. Aber die Lage bleibt wirr, unklar ob die Waffen bei Debalzewo überhaupt verstummen.