Berlin. Verordnungen zum Arbeitsschutz sollten per Verordnung aus dem Hause Nahles geändert werden. “Absurdistan!“, schimpften die Arbeitgeber. Nun soll das strittige Projekt entschärft werden - per Verordnung.
Nach einer Welle von Kritik an geplanten neuen Regeln zum Arbeitsschutz lenkt Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ein. Allerdings will sie die Verordnung nicht wie von den Arbeitgebern gefordert stoppen. Stattdessen soll die "Verordnung zur Änderung von Arbeitsschutzverordnungen" wie geplant beschlossen - und umgehend durch eine weitere Verordnung abgemildert werden. Der Arbeitgeberverband BDA bezweifelt, dass die Unternehmen die Regeln dann nur in der abgemilderten Form anwenden müssten.
"Ich hänge zum Beispiel nicht an den abschließbaren Spinden, und über Ausnahmen bei den Pausenräumen kann man von mir aus auch reden", sagte Nahles der "Rhein-Zeitung" (Mittwoch). Aber: "Wenn wir das jetzt nicht beschließen, wäre dies ein schwerer Schlag für den Arbeitsschutz, der seit 40 Jahren in diesem Verfahren konsensual entwickelt wird."
Mehr als zwei Jahre Vorbereitung
Hintergrund ist das bisherige Verfahren zur Novellierung der Regeln. Der Bundesrat hatte dem Entwurf des Ministeriums bereits am 19. Dezember mit Änderungswünschen zugestimmt. Hierbei kam auf Antrag Sachsens auch die Forderung nach abschließbaren Spinden hinein. Nahles sagt, nach der Zustimmung des Bundesrats dürfte man nicht wieder alles ändern. "Wir müssten den Prozess komplett neu beginnen."
Wie das konkret aussehen würde, ließ sie offen. Der aktuelle Entwurf ist seit mehr als zwei Jahren vorbereitet worden. Ausgetüftelt worden waren die Details in einem 15-köpfigen Arbeitsstättenausschuss mit Vertreten der Arbeitgeber, Gewerkschaften, Landesministerien, Kommunen, Sozialversicherungen sowie mit Hochschullehrern.
Kritiker warnen vor Bürokratie
Was würde passieren, wenn die Novelle nun beschlossen und durch eine weitere Verordnung abgemildert würde? Arbeitgeber sollten die strittige Verordnung gar nicht erst umsetzen müssen, sondern die Änderungen abwarten, zitierte die "Rhein-Zeitung" das Nahles-Ressort. Die BDA hingegen kritisierte, die geplanten Änderungen würden dann bis zur Verabschiedung der Korrektur gelten. "Die neuen Vorgaben müssten damit bereits kurz nach dem Kabinettsbeschluss eingehalten werden." Ein neues Verordnungsverfahren könne hingegen in zeitlich angemessener Frist umgesetzt werden - Grund zur Eile gebe es nicht.
Während Befürworter der Novelle meinen, geltende Vorgaben würden vor allem präziser gefasst, warnen die Kritiker vor neuer Bürokratie. So wolle die Politik, dass Firmen die Telearbeitsplätze von Mitarbeitern zuhause kontrollieren. Die Arbeitgeber monierten, dass etwa auch nur selten aufgesuchte Archive in Betrieben künftig eine bestimmte Temperatur haben müssen - oder dass Sanitärräume Fenster haben müssen. Im Nahles-Ministerium hatte man entgegnet: "Archive und Abstellräume müssen auch künftig nicht geheizt werden."
Die Regeln, die es bereits gibt, werden von den zuständigen Arbeitsschutzbehörden der Länder deutlich seltener als früher kontrolliert. Nach den jüngsten Zahlen sank die Zahl der Aufsichtsbeamten für den gesamten Bereich binnen zehn Jahren um mehr als 1000 auf 2935 im Jahr 2012. Sie kontrollierten mit rund 100.000 Betrieben noch gut die Hälfte - und kamen mit knapp 420.000 auf weniger als die Hälfte Beanstandungen im Vergleich zu 2002. (dpa)