Bochum. .

Auch die Städte an Rhein und Ruhr wurden durch alliierte Bomben in großen Teilen zerstört. Die Angriffe erreichten bei der fünfmonatigen Luftoffensive, die als „Schlacht um die Ruhr“ bekannt wurde, ihren Höhepunkt. Auftakt war die Bombardierung Essens im März 1943. Noch Ende Oktober 1944 flogen über tausend britische Bomber die Stadt an. Bis Kriegsende wurde das Ruhrgebiet immer wieder Ziel der Bomber. Tausende Menschen starben – dennoch entstand im Ruhrgebiet nie ein ähnlicher Opfermythos wie in Dresden. Warum nicht?

Der Sozialhistoriker Prof. Stefan Berger, Leiter des Instituts für soziale Bewegungen an der Ruhr-Universität Bochum, sieht dafür mehrere Gründe. Zum einen: „Das Ruhrgebiet wurde im Laufe des Krieges immer wieder angegriffen. Dresden aber wurde mit einem Schlag zerstört, die Stadt ging in einer Nacht unter.“ Es war ein einzelnes Großereignis, das sich in das Gedächtnis der Menschen mit großer Symbolkraft einbrannte.

Hier schlug das ökonomische Herz

Zudem herrscht im Ruhrgebiet eine ganz andere Stadtkultur als in Dresden, historisch stärker geprägt durch ein Arbeiter- als durch ein Bürgermilieu, das im Revier zudem durch Zuwanderung offener und toleranter Fremden gegenüber war und ist. Dies sei auch ein Grund dafür, warum Pegida kaum Fuß fassen könne, „obwohl es auch hier neofaschistische Gruppen gibt“, so Berger. „Aber es fehlt ihnen das Hinterland, es gelingt nicht wie im Osten, Tausende Bürger auf die Straße zu bringen.“

Ein weiterer Grund: Im Ruhrgebiet, vermutet Berger, war der „Opfermythos“ bereits durch eine andere Tradition besetzt, die eng mit der industriellen Vergangenheit der Region verknüpft ist. Hier schlug das wirtschaftliche Herz des Landes, man hat schwer geschuftet, viel durchlitten – das schweißte die Menschen zusammen, daraus speiste sich ihr Selbstverständnis. Berger: „Die Identität im Ruhrgebiet ist in weiten Teilen mit Kohle und Stahl verbunden und befasst sich nicht zuerst mit dem Zweiten Weltkrieg und den Bombenangriffen. Das ist in Dresden anders.“