Düsseldorf. . NRW will Einschränkungen der Gestaltungshoheit nicht hinnehmen, sagt Markus Tons, Berichterstatter im europäischen Ausschuss der Regionen.

Trotz einer Reihe kommunaler Bedenken hat sich die rot-grüne NRW-Koalition für das umstrittene Freihandelsabkommen (TTIP) der EU mit den USA ausgesprochen. „Ich sage Ja zum Freihandelsabkommen, aber nicht um jeden Preis“, sagte der Gelsenkirchener Landtagsabgeordnete Markus Töns (SPD), der als Berichterstatter im europäischen Ausschuss der Regionen (AdR) die NRW-Interessen in Brüssel vertritt.

Das Vorhaben, einen transatlantischen Wirtschaftsraum zu schaffen, könne wichtige Impulse für Wachstum und Beschäftigung bringen. Zugleich müsse aber sichergestellt bleiben, dass die Städte und Gemeinden Aufgaben der sogenannten Daseinsvorsorge wie Müllabfuhr oder Wasserwirtschaft weiterhin in Eigenregie betreiben können. Es dürfe zudem kein Liberalisierungsdruck entstehen, der es der öffentlichen Hand in NRW künftig unmöglich machen würde, Umwelt- oder Sozialstandards zu erhöhen, so Töns.

„Nicht nur Chlorhühnchen“

Der 51-jährige Politologe ist einziger NRW-Vertreter im AdR, der als Sprachrohr für die lokalen und regionalen Einheiten in Europa von der EU-Kommission in den Verhandlungen mit den USA gehört wird. Mitte Februar wird Töns seine Stellungnahme in Brüssel einreichen. Das Freihandelsabkommen soll bis Jahresende ausverhandelt sein und Handelshürden und Zölle zwischen der EU und Nordamerika beseitigen. Vor allem die Industrie setzt große Hoffnungen in das Abkommen, weil zurzeit noch Zölle, unterschiedliche Sicherheitsvorschriften oder Umwelt- und Verbraucherschutzstandards den Warenverkehr hemmen.

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Die Stimmungslage ist ausgerechnet beim Exportweltmeister Deutschland schlecht. Einer aktuellen Umfrage zufolge befürworten nur 39 Prozent der Deutschen das Freihandelsabkommen – einer der schlechtesten Werte EU-weit. Nach Töns Beobachtung verengte sich auch in NRW die Freihandelsdebatte bislang zu sehr auf die Frage, ob Chlorhühnchen aus den USA künftig ungehindert in die EU importiert werden oder Nürnberger Bratwürstchen demnächst aus Kentucky stammen könnten.

Gestaltungshoheit von Land und Kommunen darf nicht eingeschränkt werden

„Wir müssen nicht groß über Design und Größe von Autoblinkern diskutieren, aber sehr entschieden unsere kommunalen Interessen und die demokratisch legitimierte Regelungskompetenz verteidigen“, findet Töns. Der freie Marktzugang dürfe nicht dazu führen, dass die Gestaltungshoheit von Land und Kommunen eingeschränkt werde. Auf entschiedene Ablehnung stoßen deshalb in NRW die heiß diskutierten Schiedsgerichte. Vor solchen privaten Gerichten sollen Unternehmen Staaten verklagen können, wenn sie sich durch Regeln oder Vorschriften ungerecht behandelt fühlen. „Auf beiden Seiten des Atlantiks muss die jeweilige Gerichtsbarkeit das letzte Wort haben“, erklärte Töns.

Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) konnte in einem Schreiben an den Landtagsabgeordneten nicht alle Sorgen zerstreuen. Die Bundesregierung halte solche Schiedsverfahren „nicht für erforderlich“, erklärte Gabriel lediglich und fügte hinzu: „Andere EU-Mitgliedstaaten teilen unsere Auffassung nicht.“ Insgesamt wirkte Gabriel erleichtert, dass der Vertreter des größten Bundeslandes nicht einstimmte in den Chor der radikalen Freihandelsgegner.