Essen. . Die Pegida-Bewegung zieht seit Oktober Tausende auf die Straßen. Leipziger Forscher säen nun Zweifel an den Zahlen. Aber was sagen die eigentlich aus?

Die politische Agenda der Parteien hat Pegida längst beeinflusst. Drei Monate nach dem Start der ersten Demo der "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" in Dresden, debattieren die Parteien über ein Zuwanderungsgesetz. Zuletzt waren in Dresden 25.000 Pegida-Anhänger auf der Straße. Beim Leipziger Ableger Legida sollen es 15.000 gewesen sein. Waren es nicht, haben nun Forscher der Universität Leipzig veröffentlicht.

"Maximal 5000 Teilnehmer" waren bei der Legida-Demonstration am vergangenen Mittwochabend in Leipzig. So haben es Studenten und Mitarbeiter des Instituts für Soziologie an der Universität Leipzig gezählt. Um wirklich sicher zu gehen, wurden drei verschiedene Zählverfahren angewendet. Das Ergebnis: die Zahl 5000 ist noch gutgerechnet. Einzelne Zählverfahren kamen gar nur auf 4100 Legida-Anhänger.

"Teilnehmerzahlen können ein Propagandamittel sein"

Was heißt das nun: Wurden die offiziellen Zahlen geschönt, etwa um den aufwändigen Polizeieinsatz zu rechtfertigen? Wird die Bewegung überschätzt? Ein Sprecher der Leipziger Polizei weist 'politische' Motive zurück. Die Zahlen beruhten auf den Zählungen von Polizisten am Rande der Demo und aus einem Polizeihubschrauber heraus.

"Der Veranstalter war im Vorfeld gar von 60.000 Legida-Teilnehmern ausgegangen", sagt der Polizeisprecher. Dies sei eine Zahl gewesen, die wohl aus Frust gefallen war, heißt es, nachdem die jüngste Pegida-Demo in Dresden wegen Morddrohungen aus Islamistenkreisen von den Behörden verboten worden war. Später korrigierte Legida die eigenen Erwartungen, rechnete aber noch mit 30.000 Teilnehmern bei der Demo am Mittwoch.

"Teilnehmerzahlen können ein Propagandamittel sein", sagt Stephan Poppe, Statistiker an der Universität Leipzig. Nicht zuletzt deshalb wollten die Forscher die Teilnehmerzahlen genau durchleuchten. Per Video, Foto und von erhöhter Stelle vor Ort wurden Kundgebung und Protestzug daher beobachtet und mit mechanischen Zählgeräten ("Klicker") erfasst. Zudem hatten Forscher sich auf dem Platz vor der Oper unter die Legida-Teilnehmer gemischt, um zu erfassen, wie viele Personen auf einem Quadratmeter Fläche standen.

Zählungen auf einer Demo sind immer ungenau

Dieser Wert dürfte wohl ausschlaggebend für die Abweichung von offiziellen Zahlen von Stadt Leipzig und Polizei - 15.000 - und Forschern - "höchstens 5000" - gewesen sein: Die Forscher werteten bei der Auftaktkundgebung etwa eine Person je Quadratmeter, die Polizei sah aus Hubschrauber-Perspektive drei bis vier Personen je Quadratmeter, bestätigt der Sprecher.

Was auch immer daraus folgt: Bei der Polizei in Leipzig sieht man keine Notwendigkeit, seine Zählmethoden zu hinterfragen, erklärt der Sprecher. Forscher wie Polizei weisen darauf hin, dass Zählungen bei Demonstrationen "immer einen hohen Ungenauigkeitsfaktor haben". Dazu gehe es auf derartigen Großveranstaltungen einfach zu hektisch zu. Bei Umzügen würden neben der Abschätzung zur Personendichte in der Regel auch die Teilnehmer-Reihen gezählt und mit einem Durchschnittswert multipliziert. Beim Legida-Protestmarsch kamen die Forscher nach Sichtung von Videos - in Slow Motion zwei Stunden lang abgespielt und ausgezählt - auf 460 Reihen mit jeweils 10,6 Teilnehmern.

Wie stark Teilnehmerzahlen durch Interessen gesteuert sind, wurde nach der Loveparade-Katastrophe vom Juli 2010 in Duisburg bekannt. Damals stellte sich heraus, dass der Veranstalter Lopavent die Zahlen, auch der vergangenen Loveparade-Umzüge in Essen und Dortmund gefälscht hatte - auch im Interesse der jeweiligen Kommunen. Es wurden stets deutlich zu hohe Zahlen verbreitet. (dae/WE)