Berlin. .
Die Zahl der Zuwanderer nach Deutschland steigt weiter an. Das ist die Kernbotschaft, die Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) heute im neuen Migrationsbericht verkündet. Die Daten befeuern die Debatte um ein Einwanderungsgesetz, um das die Koalition seit Kurzem streitet. Worum geht es bei dem Gesetz, wie ist die aktuelle Lage?
Wie viele Zuwanderer gibt es derzeit?
Laut Migrationsbericht kamen im Jahr 2013 1,23 Millionen Menschen als Zuwanderer nach Deutschland, ein Anstieg um knapp 14 Prozent innerhalb eines Jahres, so viel wie seit 20 Jahren nicht mehr. Rechnet man die Fortzüge ab, blieb ein Wanderungsgewinn von 430 000 Menschen. Drei Viertel der Zuwanderer stammen aus der EU, angeführt von Polen, Rumänien und Italien. Seit 1991 ist die Bevölkerung der Bundesrepublik durch Zuwanderung um rund fünf Millionen gestiegen – viele kamen aber nicht direkt als Erwerbstätige, sondern etwa über Familiennachzug oder als Flüchtlinge.
Was bringt ein neues Gesetz?
Die meisten Befürworter versprechen sich vom Einwanderungsgesetz eine klare Botschaft und einfache Regeln, wer unter welchen Bedingungen nach Deutschland kommen darf – und wer nicht. Der Hintergrund: Deutschland braucht nach Expertenschätzungen vor allem wegen des Fachkräftemangels eine konstant hohe Zahl von qualifizierten Zuwanderern, unterm Strich mindestens 200 000 jährlich – andernfalls fehlen bis 2050 rund 15 Millionen Arbeitskräfte. CDU-Generalsekretär Peter Tauber, der die Debatte angestoßen hatte, will Zuwanderern mit dem Gesetz auch vermitteln, dass sie in Deutschland dauerhaft willkommen sind – und was man von ihnen erwartet.
Wie könnte das aussehen?
Das am häufigsten genannte Modell ist ein Punkte-System nach kanadischem Vorbild. Einwanderungswillige werden nach Kriterien wie Ausbildung, Beruf, Sprachfähigkeit und Alter gerastert. Wer die festgelegte Punktezahl erreicht, kann auch ohne Jobangebot einreisen. Je nach Bedarf lässt sich der Zuzug so steuern. Manche Befürworter eines neuen Gesetzes wollen aber nicht so weit gehen.
Was gilt bisher?
EU-Bürger genießen zwar Freizügigkeit, doch für Bürger aus Drittstaaten bleiben nur komplizierte Zugänge wie die Bluecard für Hochqualifizierte, die bislang nur mäßigen Erfolg hat. Daneben gibt es Regelungen wie den Familiennachzug - und den Umweg über das Asylrecht. Das Zuwanderungsgesetz von 2004 ist ein Sammelsurium von Einzelgesetzen. „Keiner durchschaut das richtig“, klagt CDU-Vize Jens Spahn.
Wie verläuft die Debatte?
Die SPD macht Druck in der Koalition, will im Februar ein Konzept für ein Gesetz vorlegen. Die Lage in der Union ist unübersichtlich: CDU-General Tauber hat für seinen Vorstoß Unterstützung von einzelnen CDU-Führungsleuten, doch die Fraktionsspitze ist ebenso dagegen wie die CSU und Innenminister de Maizière. CDU-Chefin Angela Merkel will die Debatte abwarten. Die Grünen sind ebenso für ein solches Gesetz wie die FDP, die diese Woche ein eigenes Konzept mit Punkte-System beschlossen hat. Auch die AfD verlangt ein Einwanderungsgesetz – allerdings mit der gegensätzlichen Zielrichtung, Zuwanderung zu begrenzen.
Was sagen die Kritiker?
Vor allem Unionspolitiker scheuen eine neue Debatte. Sie halten die geltenden Regelungen für völlig ausreichend. „Wir haben schon ein Einwanderungsgesetz“, meint de Maizière. Der Großteil der Zuwanderer komme ohnehin aus der EU, bei ihnen gebe es in Berlin nichts zu regeln. Allerdings hat dieses Argument eine Tücke: Spätestens wenn sich die südeuropäischen Länder wirtschaftlich erholen, wird der Zustrom aus der EU schwächer werden, sind sich Experten sicher. „Mittelfristig sind wir auf die Zuwanderung aus Drittstaaten angewiesen“, konstatiert Herbert Brücker vom Institut für Arbeits- und Berufsforschung. Er mahnt daher: „Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz, das diesen Namen verdient.“