Essen. “Der Gegner ist der Terrorismus, nicht der Islam.“ Zahlreiche internationale Medien kommentieren den Anschlag von Paris. Eine Übersicht.
FRANKREICH
"La Croix"
"Der Terror hat sein todbringendes Werk vollbracht und dabei Wut und Angst erzeugt. Wie in anderen europäischen Ländern nimmt auch in Frankreich die Furcht vor dem Islam und einer Islamisierung des Kontinents zu. Dieses Attentat in Paris kann die Ablehnung der muslimischen Gemeinschaft verschärfen. Der Anschlag kann auch zu einer Bürgerbewegung der Solidarität gegen diese Terroristen führen, die mit der Ermordung einiger Menschen die ganze Gesellschaft im Visier haben, ihren Lebensstil und ihre Werte. Wir müssen gelassen bleiben und würdevoll und dürfen nicht in Panik verfallen. Dieser Zusammenhalt symbolisiert unser Gedenken an die Opfer."
"Libération"
"Sie haben "Charlie" angegriffen und damit die Toleranz, die Ablehnung von Fanatismus und Dogmatismus. Sie haben diese offene, religionsfreie und friedfertige Linke angegriffen, die sich sicherlich über den Zustand der Welt empört, sich jedoch lieber darüber lustig macht, als anderen ihren Katechismus aufzuzwingen. Die Fanatiker verteidigen keine Religion, weil Religion tolerant sein kann, und sie verteidigen nicht die Muslime, die in ihrer überwältigenden Mehrheit mit Entsetzen auf diese niederträchtigen Morde reagiert haben. Die Fanatiker greifen die Freiheit an. Alle Republikaner sind vereint gegen den Gegner. Dieser Gegner ist der Terrorismus, nicht der Islam, der Gegner ist der Fanatismus, keine Religion, und der Gegner ist der Extremismus. Der hat nichts zu tun mit unseren muslimischen Mitbürgern."
Anschläge von Islamisten in Frankreich
"Le Figaro"
"Uns wurde der Krieg erklärt: Der Krieg des islamischen Fanatismus gegen den Westen, gegen Europa und gegen die Werte der Demokratie. Uns muss klar sein: Wenn heute Frankreich im Visier der Verrückten Allahs steht, dann waren es vorher andere Länder, und morgen werden es weitere Staaten sein. Wir müssen uns moralisch gegen die niederträchtigen Verbrechen dieser Barbaren wappnen, die als Frömmler verkleidet sind. Und wir müssen uns politisch und juristisch wappnen. Zu lange sind wir im Namen eines irregeleiteten Humanismus unseren schlimmsten Feinden entgegengekommen. Wir müssen gegen diese Fanatiker hart durchgreifen, die sich offen gegen unser Land und unsere Sicherheit verschwören. Wenn es Krieg gibt, muss man ihn gewinnen."
GROSSBRITANNIEN
"Independent"
"Alle Presseorgane, in der arabischen Welt ebenso wie im Westen, sollten die ermordeten Zeichner von "Charlie Hebdo" als Märtyrer betrachten. Sie sollten die Standfestigkeit dieser Satiriker als die wagemutigsten Journalisten in Europa würdigen, auch wenn ihre Veröffentlichungen anstößig sein könnten, so wie die Mohammed-Karikaturen 2011. Es war das Recht von "Charlie Hebdo", anstößig zu sein. Das Magazin war dabei gerecht: Katholizismus, Judaismus und Islam wurden gleichermaßen respektlos behandelt. Mit dem Erstarken islamistischer Terrorgruppen und Angriffen auf Zeitungsredaktionen haben andere Publikationen Rücksicht auf muslimische Empfindlichkeiten genommen. "Charlie Hebdo" hat dies trotz der Warnungen der Polizei abgelehnt."
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BELGIEN
"L'Echo"
"Der Terror greift Ideen an, Worte, Bilder, jene, die sie transportieren, sie tragen, sie anstoßen, sie verspotten. (Er greift an) Eine Säule der Demokratie, der freien Presse. Die Verrückten sind auf den Straßen von Paris oder anderswo unterwegs, im Glauben, sie hätten Ideen zur Strecke gebracht, vielleicht ihren Glauben gerächt, aber sie haben nur Menschen getötet und deren Ideale bestärkt. Denn so wie es ohne Zweifel leider immer Fanatiker geben wird, die versuchen diese zu ermorden, so wird es immer Menschen geben, um die Gerechtigkeit zu verteidigen, die Intelligenz hochzuhalten und das Licht zu bewahren."
"Le Soir"
"Wie das Abgleiten verhindern und die Konfrontationen zwischen den Gemeinschaften, die untergründig bereits vorhanden sind? Wie vermeiden, dass das Attentat von "Charlie Hebdo" - der europäische 11. September - nicht Hass und Bannflüche freisetzt, die so oft schon gerade noch unterdrückt worden sind, und dass er die europäischen Gesellschaften in Orte der Auseinandersetzung und der Ablehnung von Freiraum verwandelt?"
"De Morgen"
"Wenn wir nun intoleranter werden, fundamentalistischer in unseren Einstellungen Anderen gegenüber, ängstlicher, empfänglicher für autoritäre Ideen, und eher bereit sind, demokratische Rechte aus "Sicherheitserwägungen" aufzugeben, dann haben diese Terroristen ihr Ziel erreicht - denn dann sind wir genauso geworden wie sie. Das Einzige, was wir heute - machtlos und frustriert - tun können, ist, Inspiration aus dem zu ziehen, wie die Norweger die Anschläge des Attentäters Breivik verarbeitet haben: mit der Suche nach dem Wesen ihres Gesellschaftsmodells, statt es aus Angst niederzureißen. Indem wir nach Verbundenheit und Wärme suchen und Gefühlskälte und Angst nicht zulassen."
NIEDERLANDE
"De Telegraaf"
"Die Freiheit im Westen ist einmal mehr zum Angriffsziel geworden, aber sie wird niemals vernichtet werden. Seit dem vergangenen Jahr stellt die Terroristenarmee IS eine neue Bedrohung dar, auch für die nationale Sicherheit in Europa. Immer wieder wird gewarnt vor terroristischen Taten zurückkehrender Dschihadisten. (...) Der Anschlag in Paris zeigt, wie akut diese Gefahr ist. Das muss zu einem härteren Vorgehen führen mit einem besseren und sichtbaren Schutz gefährdeter Objekte. Glaubensbarbaren, die auf unsere Vernichtung aus sind, müssen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft und ausgeschaltet werden. Wir sind es uns selbst schuldig, das freie Wort um jeden Preis zu verteidigen. Wir lassen uns keine Angst machen."
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ÖSTERREICH
"Der Standard"
"Radikaler Islam und Islamfeindlichkeit sind zwei kommunizierende Gefäße - aber es ist ein Unterschied, ob getötet oder demonstriert wird. Beide sind große Herausforderungen für liberale Gesellschaften. Die Art der "Verteidigung", die Bewegungen wie Pegida fordern, ist ebenfalls illiberal und eine Bedrohung der Werte, auf denen Europa auf den Trümmern des Zweiten Weltkriegs aufgebaut wurde. Viele Muslime weltweit sind schwer erschüttert über das, was sich heute des Namens Islam bedient - etwa, am schlimmsten, der "Islamische Staat". Der Islam ist in der vielleicht finstersten Periode seiner Geschichte. Eine Katharsis vorauszusagen, das wäre am Tag des Verbrechens von Paris unangebracht. Aber Abscheu und Widerstand wachsen auch da, wo es am wichtigsten ist - unter Muslimen. "
SCHWEIZ
"Neue Zürcher Zeitung"
"In den Kriegsgebieten des Nahen Ostens schiessen die Terroristen bewusst auf Journalisten, um die Öffentlichkeit blind zu machen. Es soll kein halbwegs freier Blick mehr möglich sein auf das, was dort vor sich geht. Nur tote Journalisten sind gut für die Wahrheit der Terroristen. Insofern scheint es konsequent, wenn diese ihren Kampf in den Westen ausweiten und auch hier Journalisten oder Satiriker totschiessen. Der Angriff auf "Charlie Hebdo" ist darum ein Angriff auf unsere Zivilisation. Wir müssen ihn mit Konsequenz, Mut und Ausdauer abwehren."
SLOWAKEI
"Pravda"
"Die Fanatiker und fundamentalistischen Planer großer Angriffe auf den Westen rechnen direkt damit, dass jeder erfolgreiche Terroranschlag eine Welle antiislamischer Stimmungen hervorruft. Denn gerade die Stärkung islamfeindlicher Fanatiker im Westen bereitet den Boden für die Rekrutierung neuer islamistischer Fanatiker auf der Gegenseite. Wir dürfen nicht erlauben, dass sie mit diesem Kalkül Erfolg haben." (dpa)
Zehntausende sagen "Ich bin Charlie"