Stuttgart/Berlin. . Beim Dreikönigstreffen der FDP in Stuttgart kämpfen die Liberalen mit neuem Stolz, neuer Selbstachtung und neuem Logo um ihr Comeback.
So viel Tradition muss sein, Dreikönigstag, Stuttgart, Opernhaus, vertrautes Ambiente. Ansonsten hat sich viel verändert, Auftritt, Akteure, die zusätzliche Farbe im Parteilogo (Magenta) und der Zweitname der FDP: Aus Liberalen werden „Freie Demokraten“. In weißen Sesseln auf der Bühne sitzen Lencke Steiner, Katja Suding, Nicola Beer. Mittendrin Parteichef Christian Lindner, der ein Kopfbügel-Mikrofon trägt, so dass er reden und sich frei bewegen kann.
Die neue FDP ist jung und weiblich. Lindner ist 35, Generalsekretärin Beer 44 Jahre alt, in derselben Altersklasse spielen die zwei Spitzenkandidatinnen in Hamburg (Suding, 39 ) und Bremen (Steiner, 29), die es in diesem Jahr richten sollen. Verlieren sie die Wahlen dort, bleiben den Freien Demokraten die Landtage in Niedersachsen, NRW, Hessen und Baden-Württemberg.
Das große Geld wiederentdeckt
Lindner spricht eine Stunde lang, frei und mit viel Esprit. Es ist eine Rede über Stolz und Selbstachtung. Zu ihrer Glaubwürdigkeit trägt seine Selbstzerknirschung bei. Lindner erinnert daran, wie es war, im Mai 2010, als er zur Parteiführung, zu den schweigenden Lämmern gehörte: Sie nahmen es hin, wie eine CDU-Kanzlerin die FDP-Steuerreformpläne einkassierte. „In meinem politischen Leben wird mir so was nicht noch einmal passieren, nicht ein zweites Mal“, ruft er aus. „Ehe ein anderer das Fähnlein der FDP einrollt, gehen wir lieber mit wehenden Fahnen und Stolz selbst von Bord“, so Lindner.
Der Abwahl im Bund folgten viele Befragungen, Beratungen, über 250 Veranstaltungen. Manöverkritik. „Da haben wir vieles über uns gelernt“. In der Zeit seit Ende 2013 hat Lindner Verunsicherung gespürt. Er hofft, dass die FDP sich mehr traut, „Lust auf Freiheit“ macht. In praktische Politik übersetzt: Er stellt den Bildungsföderalismus infrage, eine „heilige Kuh“, will „Fracking“ nicht ablehnen und bricht eine Lanze für „Uber“. Das ist die Online-Konkurrenz zum regulären Taxigewerbe, das „aus der Zeit gefallen“ sei. Er will die Taxis nicht schützen, man dürfe keine „Mauern um Branchen“ ziehen. So viel Wirtschaftsliberalismus muss sein. Unter den 1400 Gästen sind viele Industrielle. Das große Geld entdeckt die FDP wieder. Dem „Handelsblatt“ verriet Schatzmeister Hermann Otto Solms, dass mehr gespendet wird, 2014 immerhin 1,6 Millionen Euro.
Überzeugung an innerer Stärke messen
Über die Große Koalition redet der Parteichef kaum. Die Euro-Kritiker von der AfD seien erst recht kein Ersatz für die FDP. „Sie ist das Gegenteil von allem, was uns Liberalen heilig ist.“ Über AfD-Chef Bernd Lucke sagt er, „Professor Biedermann hat seine Schuldigkeit getan, jetzt übernehmen die Brandstifter“. Gemeint ist, dass die AfD sich mit den „Patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlands“ gemein mache. Zur islamfeindlichen „Pegida“ bemerkt er, dass es in Deutschland reale Integrationsprobleme gebe. Solche Alltagsbeobachtungen zu leugnen, mache keinen Sinn. Mehr noch: Wer die Demonstranten „pauschal als Mischpoke oder Nazis in Nadelstreifen beschimpft, treibt sie gerade erst in die Arme von Pegida“.
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Ansonsten war Lindner bemüht, eine neue Debattenkultur vorzuleben, respektvoller über Gegner zu reden. Auch „im Stil“ soll seine Partei wieder den Unterschied ausmachen. Er rief sie ferner dazu auf, ihre Überzeugungen nicht an Umfragen zu messen, sondern an ihrer inneren Stärke. Was bleibt ihnen auch anders übrig? Dass es schnell wieder nach oben gehen kann, hat er in Wien beobachtet. Die „Neos“ dort sind auf Anhieb in die Parlamente gekommen. Vieles hat sich die FDP von ihnen abgeguckt, auch die Farbe Magenta. Jede Neugründung hat es leichter, eine Traditionspartei braucht mehr Zeit. Lindner trimmt die FDP für den nächsten Bundestag 2017 - die Schicksalswahl. Ihm selbst schlägt früher die Stunde, in NRW. Wer daheim nicht gewinnt, kann kein Hoffnungsträger sein.