Kairo. .
Die Mächtigen am Golf geben sich betont gelassen. „Solche Preisschwankungen sind ganz normal“, beschwichtigte der saudische Ölminister Ali al-Nuaimi. Und so ging die OPEC (Organisation erdölexportierender Länder) bei ihrer letzten Sitzung Ende November ohne Ergebnis auseinander, obwohl der Ölpreis in den letzten Monaten von gut 100 auf 60 Dollar pro Barrel gefallen ist – ein dramatischer Einbruch wie seit fünf Jahren nicht mehr.
Momentan jedoch haben weder die starken noch die schwachen Ölstaaten ein Interesse daran, dass die Produktionsraten gedrosselt werden – aus ganz unterschiedlichen Gründen. Die Schwachen brauchen jeden Dollar, die starken vom Golf dagegen haben Rücklagen genug und wollen die Ölpreiskrise im Syrienkonflikt als politische Waffe gegen ihre Intimfeinde Iran und Russland nutzen.
Die finanziell Schwachen, zu denen neben Iran auch Irak und Libyen zählen, können nicht auf Marktanteile verzichten. Iran liegt bei der Förderung wegen der westlichen Sanktionen bereits unter seiner OPEC-Quote. Irak braucht im Kampf gegen den Islamischen Staat alle verfügbaren Mittel, um den Zerfall der Nation abzuwenden. In Libyen rivalisieren inzwischen zwei Regierungen um die Öleinnahmen. Nigeria ist ebenfalls mit einem teuren und blutigen Anti-Terror-Kampf konfrontiert, da die Extremisten von Boko Haram immer stärker werden.
Dagegen können die superreichen Golfstaaten den Verfall der Preise durchaus für einige Zeit verkraften. Saudi-Arabien, Kuwait, Abu Dhabi und Katar haben ihre Haushalte auf der Basis von relativ moderaten Ölpreisen kalkuliert, Saudi-Arabien bei 84 Dollar, Abu Dhabi bei 71, Katar bei 59 und Kuwait bei 52 Dollar. Nur Oman und Bahrain wird es härter treffen. Sie haben weniger Rücklagen und weniger Ölvorkommen. Und sie haben ihre Haushalte viel zu optimistisch aufgestellt – Oman mit 97 Dollar und Bahrain mit 117 Dollar pro Barrel. Und so zeigen sich die vier Superreichen im Sechserclub der Golf-Kooperationsrates bisher ungerührt, auch wenn ihre Börsen zunächst extrem nervös reagierten, um bis zu 30 Prozent in den Keller rasten, bevor sie sich zum Wochenschluss wieder berappelten. „Wir werden unsere Meinung nicht ändern, selbst wenn der Ölpreis von 60 auf 40 Dollar fallen sollte“, unterstrich Suhail al-Mazrouei, Energieminister der Vereinigten Arabischen Emirate.
Die Saudis haben Reserven
Denn der finanzielle Nachteil wird in den Augen der Mächtigen auf der Arabischen Halbinsel mehr als aufgewogen durch das politische Druckpotenzial, das ihnen die Preiskrise im Syrienkonflikt beschert. Der iranische Hauptrivale in der Region, der aus ihrer Sicht nicht nur im Irak, auch im Jemen, Libanon und vor allem in Syrien eine düstere Rolle spielt, wird hart getroffen. Die Islamische Republik braucht für einen ausgeglichenen Haushalt das Doppelte des heutigen Preises. Präsident Hassan Rohani ließ für das Budget 2015 bereits drastische Kürzungen vornehmen, ein riskanter Schritt in dem von Sanktionen gebeutelten Land. Vor allem aber Russland, seit vier Jahren zusammen mit Iran eiserner Verbündeter des syrischen Regimes, wird die Folgen zu spüren bekommen. Sein Staatshaushalt ist mit 100 Dollar pro Barrel kalkuliert. Die Kombination von westlichen Sanktionen und Ölpreisdebakel machen Moskaus Wirtschaft inzwischen schwer zu schaffen. Bei seiner Syrienpolitik könnte das den Kreml kompromissbereiter machen, kalkulieren seine arabischen Kontrahenten. Und das lassen sie sich gerne etwas kosten.
Die Saudis allein haben in ihrem Staatsfonds 750 Milliarden Dollar Rücklagen, die Reserven von Abu Dhabi liegen bei 730, Kuwait hat 550 und Qatar 250 Milliarden Dollar auf der hohen Kante. Alle können eine gewisse Durststrecke überdauern, auch wenn sie dafür einige ihrer ehrgeizigen Infrastrukturprogramme strecken müssen. Auf längere Sicht jedoch könnte der schwächelnde Ölpreis auch den Saudis Kopfschmerzen bereiten. Denn die eigene Bevölkerung empfindet den Einbruch als weitere Verunsicherung, nach Arabischem Frühling und Islamischem Staat. Viele Saudis fragen sich, ob nach den beispiellosen politischen Turbulenzen in der Region nun auch die Basis des eigenen Wohlstands, der Ölmarkt, aus den Fugen gerät.
Billige Wohnungskredite
Zudem hatte der saudische König Abdullah in den letzten vier Jahren seine Untertanen mit zusätzlichen 130 Milliarden Dollar für Gehaltserhöhungen, neue Stellen und billige Wohnungskredite politisch ruhig gestellt, was künftig schwerer fallen könnte. „Wir werden unsere Ausgabenpolitik 2015 nicht ändern“, versicherte diese Woche ausdrücklich der saudische Finanzminister Ibrahim bin Abdulaziz Al-Assaf. Zwar seien die globalen Wirtschaftsbedingungen eine Herausforderung, doch „die über viele Jahre angesparten Reserven erlauben uns eine Verteidigungslinie, die uns jetzt zum richtigen Zeitpunkt zur Hand ist.“