Düsseldorf. Mangel an Platz, Geld und Personal: Die Städte schieben massig Asylanträge vor sich her. Der Städtebund sieht Flüchtlinge als Bundessache.
Die Städte fordern eine beschleunigte Bearbeitung der 130.000 unerledigten Asylanträge sowie eine schnelle Rückführung der rechtskräftig abgelehnten Asylbewerber in die Heimat. Der Hauptgeschäftsführer des NRW-Städte- und Gemeindebundes, Bernd Jürgen Schneider, beklagt, dass Asylverfahren durchschnittlich sieben Monate dauern.
Frage: Wie können Kommunen den Ansturm an Flüchtlingen bewältigen?
Bernd Jürgen Schneider: Die Kommunen unternehmen alles, um Flüchtlinge, die oft traumatisiert nach einer langen Flucht bei uns ankommen, menschenwürdig unterzubringen. Viele Flüchtlinge müssen aber medizinisch und psychologisch betreut werden. Das kostet viel Geld.
Was kann, was muss das Land tun?
Schneider: Das Land muss die Plätze in den Aufnahme-Einrichtungen von 6.400 auf 20.000 verdreifachen. Nur dann ist gewährleistet, dass Flüchtlinge nicht einfach zu Kommunen durchgereicht werden, sondern vorher registriert und medizinisch wie psychologisch betreut werden. Es kann nicht sein, dass Flüchtlinge schon nach wenigen Tagen in Landeseinrichtungen den Kommunen zugewiesen werden.
Wie sieht es mit den versprochenen Finanzhilfen aus?
Schneider: Das Land möchte seine Hilfen für Kommunen um 40 Millionen Euro aufstocken. Das reicht bei weitem nicht aus. Wir fordern eine hundertprozentige Kostenerstattung wie in vielen anderen Ländern. Das gilt vor allem für Krankheitskosten. Der Vorschlag des Landes, nur Kosten über 70.000 Euro zu erstatten, wäre ein Tropfen auf den heißen Stein. Vor allem Gemeinden im Stärkungspakt sind nicht in der Lage, steigende Kosten für Flüchtlinge allein zu tragen.
Wie müsste eine Hilfe des Bundes aussehen?
Schneider: Die Unterbringung von Flüchtlingen ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Deshalb ist der Bund in der Pflicht,einen angemessenen Finanzierungsteil zu übernehmen. Die Änderung baurechtlicher Vorschriften für den Bau von Flüchtlingsheimen reicht nicht aus. Das Angebot des Bundes, Ländern und Kommunen 2015 und 2016 jeweils 500 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, ist ein richtiger Schritt. Der Bund muss sich aber auch an Krankheitskosten dauerhaft beteiligen.
Was muss der Bund neben finanziellen Hilfen noch unternehmen?
Schneider: Er muss sein Personal aufstocken, um den Berg von 130.000 unerledigten Asylanträgen schnell abzuarbeiten. Asylverfahren müssen beschleunigt werden, denn im Moment dauert die Bearbeitung eines Asylantrags durchschnittlich sieben Monate. Wir müssen helfen, aber nicht allen. Die Flüchtlinge aus sicheren Drittstaaten müssen schnell in ihre Heimat zurückgeführt werden. Das gilt auch für rechtskräftig abgelehnte Asylbewerber. Nur so sind wir in der Lage, Hilfe auf die wirklich Bedürftigen zu konzentrieren. Alles andere würde die Akzeptanz in der Bevölkerung schwinden lassen und die Finanzkraft der Kommunen überstrapazieren. Daneben kann der Bund Länder und Kommunen entlasten, indem er leerstehende Gebäude für die Unterbringung öffnet.
Auf die Kommunen kommt eine gewaltige Integrationsaufgabe zu. Wie ist diese zu bewältigen?
Schneider: Integration erfolgt über Bildungseinrichtungen, aber auch über Kirchen und Vereine. Auch die Wirtschaft, die händeringend Fachkräfte sucht, muss zur Integration beitragen, etwa durch Sprachkurse und Kurse zur Berufsvorbereitung. Flüchtlinge benötigen eine Perspektive durch einen schnelleren Zugang zum Arbeitsmarkt.
Wie kann man für Flüchtlingskinder Betreuung und Schulbildung organisieren?
Schneider: Wichtig ist, dass Kinder der Flüchtlinge möglichst früh in unser Bildungssystem integriert werden. Über die Betreuung in Kita und Schule findet auch eine Integration der Familie in die Gesellschaft statt. Da die meisten Flüchtlinge kaum deutsch sprechen, bedarf es einer besonderen Betreuung in Kindergarten und Schule. Viele Schulen bilden für Flüchtlinge Auffangklassen. Zusätzlich notwendige Lehrer müssen vom Land bezahlt werden. Schulministerin Löhrmann hat 300 Extrastellen zugesagt. Auch zusätzliche Sozialarbeiter müssen vom Land finanziert werden.