Berlin/Düsseldorf. .
Barbara Hendricks war sogar in der „Heute-Show“. Lutz van der Horst ist nicht jedem Politiker lästig. Die Auftritte mit dem Komiker sind oft verabredet. Und zum beiderseitigen Nutzen. Mehr Bekanntheit und ein höherer Coolness-Faktor können auch der Umweltministerin nicht schaden. Im „Deutschlandtrend“ und im „Politbarometer“ sucht man die SPD-Frau vergeblich. Im „Spiegel“-Ranking steht sie auf dem letzten Platz. Wobei 78 Prozent der Befragten ihr Name nichts sagt – obwohl sie seit fast einem Jahr zum Kabinett Merkel zählt.
Sie wird bald Schlagzeilen machen, das steht fest. Die Frage ist, ob sie gut oder schlecht sein werden. Am 3. Dezember soll die Regierung den „Aktionsplan Klimaschutz 2020“ beschließen. Es ist ein Gradmesser dafür, ob die Große Koalition vom Ziel abrückt, bis zum Jahr 2020 den Treibhausgasausstoß um 40 Prozent zu vermindern. „Ich werde es ganz sicher nicht tun“, beteuert Hendricks.
„Die deutsche Klimapolitik“, analysiert die Sozialdemokratin, „war zu keinem Zeitpunkt in den letzten 15 Jahren ausreichend.“ Wird die bisherige Entwicklung bloß fortgeschrieben, erreicht man 33,34 Prozent. Die Ministerin hat sich das von zwei Instituten bescheinigen lassen. „Ich weiß, dass es schwierig wird.“ Vor allem weiß sie, dass das Ziel ohne das vorzeitige Aus von Kohle-Kraftwerken verfehlt wird. 2012 und 2013 sind die Emissionen wegen der Kohleverstromung sogar gestiegen. „Das kann so natürlich nicht weitergehen, wir werden Kohle-Kraftwerkskapazitäten abbauen müssen.“ Das ist nur rollengerecht.
Die 62 Jahre alte Politikerin aus Kleve setzt darauf, dass Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel für die Reduzierung von Kohlekraftwerken Vorschläge machen wird. Aber auch der SPD-Chef und Vize-Kanzler spürt Zwänge. Die Energiewende geht vor, Deutschland kann nicht von jetzt auf gleich aus Atomkraft und Kohle raus. So sieht es Gabriel und wohl auch die Kanzlerin. Dem UN-Klimagipfel in New York blieb sie fern; schon das wurde als Signal verstanden. Merkel rückt zwar nicht vom 40-Prozent-Ziel ab, aber von einem Machtwort der Kanzlerin ist nichts zu hören.
Dem Wirtschaftsminister sitzen Industrie und Gewerkschaften im Nacken.
Kritik wird an Gabriel abprallen
Die Trennlinien verlaufen quer durch rot-grüne Länderregierungen und durch die SPD, angeblich „die unverbesserliche Kohlepartei“, wie Hendricks ironisch bemerkt. Die Frau vom Niederrhein sitzt zwischen allen Stühlen.
Noch ist das Aktionsprogramm offen, es wird zwischen beiden Ministerien verhandelt. Schwer vorstellbar, dass Gabriel konkrete Stilllegungspläne von Kraftwerken veranlassen wird. Wenn überhaupt, dann langsam, im Konsens mit den Unternehmen und ohne Arbeitsplätze zu gefährden.
Gibt es Kritik, dann wird sie an Gabriel abprallen und Hendricks treffen. In der Öffentlichkeit wird der 3. Dezember zum Kräftemessen zwischen Parteifreunden stilisiert. Gut möglich, dass Hendricks danach bekannter sein wird denn je, aber als Ministerin von Gabriels Gnaden. Und ohne Relevanz für den Klimaschutz. Neben anderen Zielkonflikten geht es ums Image.
Der Streit um die Zwangsabschaltung von Kohlekraftwerken hat gestern auch die rot-grüne Koalition in NRW erreicht. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) stellte im „Handelsblatt“ klar: „Die nordrhein-westfälische Landesregierung steht dazu, dass es in NRW für die nächsten Jahrzehnte noch Kohlekraftwerke geben wird.“ Fast wortgleich übernahm sie dabei die Diktion Gabriels: „Wir können nicht gleichzeitig aus der Atomkraft und der Kohlekraft aussteigen.“
Damit stellt sich die Ministerpräsidentin in Widerspruch zu Barbara Hendricks, die sie selbst in die Große Koalition entsandt hatte.
Vor allem aber sorgte Kraft für Unruhe beim grünen Koalitionspartner in Düsseldorf.