Brisbane. Trotz der Verärgerung über Russlands Präsidenten Wladimir Putin in der Ukraine-Krise muss der Westen nach Ansicht von Kanzlerin Angela Merkel mit ihm im Dialog bleiben. Ihr zweistündiges Vieraugengespräch mit Putin am Rande des G20-Gipfels blieb allerdings ohne erkennbaren Erfolg.

Alles drehte sich in Brisbane um Wladimir Putin – doch der Kremlchef zeigte dem Gipfel die kalte Schulter: Das letzte gemeinsame Essen mit den anderen Staats- und Regierungschefs ließ der russische Präsident sausen, und auch die offizielle Unterzeichnung des Abschlussprotokolls schwänzte Putin.

Stattdessen reiste er frühzeitig vom Treffen der 20 mächtigsten Wirtschaftsnationen (G20) aus Australien ab. Schließlich müsse er am Montag daheim wieder arbeiten, sagte der Präsident auf Fragen. Und ein paar Stündchen schlafen wolle er auch.

Wladimir Putin, der Polit-Macho aus Moskau, hatte es wieder mal allen gezeigt.

Zwei Tage lang hatten sich die Großen der Welt um Putin bemüht. Angela Merkel etwa hatte in Brisbane spät abends zwei Stunden lang mit dem russischen Präsidenten über die Ukraine-Krise geredet – ohne erkennbares Ergebnis. „Wir haben sehr allgemein und grundsätzlich noch einmal über den gesamten Konflikt gesprochen“, sagte Merkel lediglich. „Die Gesprächen waren vertraulich.“ Nur so viel: Die Sanktionen gegen Russland sollen nicht verschärft werden. Denn, so Merkel: „Es ist ja auch unübersehbar, dass diese geopolitischen Spannungen, zu denen auch das Verhältnis zu Russland gehört, nicht gerade wachstumsfördernd sind.“

Putin gibt keinen Millimeter nach

Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der sich ebenfalls mit Putin traf, konnte den Kreml-Chef nicht zu einem Nachgeben erweichen.

Und Putin selbst?

Die Sanktionen gegen sein Land verurteilte er als „Verstoß gegen internationales Recht“. Er machte deutlich, dass er sich dem Druck des Westens nie beugen werde – Strafmaßnahmen hin oder her. Aus Gesprächen wurde bekannt, dass Putin dem Westen und der Nato weiter ein Feind-Denken wie im Kalten Krieg unterstellt. Dass die Ukraine dem westlichen Bündnis beitreten könnte, will er demnach nicht hinnehmen. Auch in einem vor dem Gipfel aufgezeichneten ARD-Interview für „Günther Jauch“ lenkte Putin nicht ein.

Obamas Botschaft für Moskau

Die leise Hoffnung auf ein Vier-Augen-Gespräch Putins mit US-Präsident Barack Obama, das die Eiszeit zwischen den beiden Staatschefs beenden könnte, erfüllte sich in Brisbane nicht. Obama hatte schon zum Auftakt des Treffens eine unmissverständliche Botschaft Richtung Putin geschickt: Die „russische Aggression“ in der Ukraine sei eine „Bedrohung für die Welt“, sagte der Präsident in einer Rede. Als Beispiel führte er den „Abschuss“ der malaysischen Passagiermaschine MH 17 vor vier Monaten in der Ostukraine an. 298 Menschen starben, 38 davon waren Australier. Auf zusätzliche Sanktionen will Obama allerdings ebenso wie Merkel fürs erste verzichten.

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Falls das als Zeichen guten Willens gedacht war, verfehlte es seine Wirkung: Russland schickte am Sonntag erneut ohne Zustimmung der ukrainischen Regierung in Kiew einen Hilfskonvoi mit mehr als 70 Lastwagen in das Konfliktgebiet Ostukraine. Eine erste Kolonne mit 20 Lastwagen überquerte die Grenze auf dem Weg nach Lugansk, wie das Zivilschutzministerium in Moskau mitteilte.

Kiew zieht Behörden ab

Weitere 54 Lastwagen seien unterwegs nach Donezk. Insgesamt werden demnach 450 Tonnen an Hilfsbedürftige verteilt. Kiew beschuldigt Moskau, die pro-russischen Separatisten in der Ukraine militärisch zu unterstützen.

Die Regierung in Kiew wiederum scheint die Ost-Ukraine schon verloren zu geben. Jedenfalls ordnete Präsident Petro Poroschenko am Wochenende den Abzug zahlreicher Staatsbetriebe und Behörden aus der Ost-Ukraine an. Mitarbeiter und Einrichtungen sollten innerhalb einer Woche in andere Teile des Landes verlegt werden, teilte das Präsidialamt mit. Zudem solle die Nationalbank im Laufe eines Monats die Zusammenarbeit mit Geschäftsbanken im Gebiet der „Anti-Terror-Operation“ einstellen.