Darmstadt. .

Angespannte Stille im Kontrollraum der Europäischen Weltraumagentur ESA in Darmstadt. Die Wissenschaftler starren auf die Bildschirme, checken erneut die Daten und warten auf das entscheidende Signal aus 500 Millionen Kilometern Entfernung. Glückt die riskante Landung von „Philae“, dem waschmaschinen-großen High-Tech-Würfel, auf dem unwirtlichen Kometen „67P/Tschurjumow-Gerassimenko“, genannt „Tschuri“? Die Chancen stünden „fifty-fifty“, hatte der Ex-Astronaut und ESA-Direktor Thomas Reiter zuvor gesagt. Nur eine 50-Prozent-Chance?

Noch 20 Minuten, noch zehn, noch fünf. Paolo Ferri, Chef des ESA-Flugbetriebs, trommelt mit der Faust auf den Tisch und scheint es gar nicht zu bemerken. Stephan Ulamec, Projektleiter des Landegeräts „Philae“ bei der DLR, starrt auf den Monitor. Es gibt nur diesen einen Versuch.

Überraschend pünktlichsetzt der High-Tech-Würfel auf

17.02 Uhr! Jetzt müsste das Signal auf den Bildschirmen als deutlich auszackende Kurve zu sehen sein. Und dann liegen sich die Forscher in den Armen, lachen, klopfen sich auf die Schulter. Überraschend pünktlich hat „Philae“ auf dem Kometen aufgesetzt. Wenn das kleine Landegerät senden kann, dann ist es offenbar unbeschadet gelandet. Die Astronomen feiern einen sensationellen Erfolg, einen Meilenstein in der europäischen Raumfahrt, der von manchen gar mit der Mondlandung 1969 verglichen wird.

20 Jahre lang haben die Wissenschaftler diesen Moment vorbereitet. Seit zehn Jahren ist die Sonde „Rosetta“ mit dem Lander „Philae“ an Bord unterwegs und legte in seinem kurvenreichen Anflug 6,5 Milliarden Kilometer zurück. Doch in den entscheidenden Stunden vor der Landung konnten die Wissenschaftler nur warten und hoffen. Eine Steuerung der Sonde von der Erde aus ist wegen der langen Signallaufzeit von knapp einer halben Stunde nicht möglich. Sie mussten darauf vertrauen, dass alle Befehle und Programme wie geplant ablaufen und keine weiteren technischen Pannen den Lander aus der Bahn werfen würden. Kleinere Probleme gab es wohl, schwerwiegende indes nicht.

Nur wenige Stunden zuvor, in der Nacht zum Mittwoch, stand die mit 1,3 Milliarden Euro bislang teuerste Mission in der Geschichte der europäischen Raumfahrt auf der Kippe. Bei einer Prüfung stellte sich heraus, dass sich das sogenannte „Active Descent System“ nicht einschalten ließ. Das ist eine Bremsdüse an der Kopfseite des Landers, der den Würfel nach dem Aufsetzen gen Boden drücken soll. Denn die Anziehungskraft des Kometen ist so gering, dass „Philae“ nach einem Aufprall wie ein Gummiball zurück geschleudert werden könnte. Die ganze Nacht wurde über „Go“ oder „No-Go“ diskutiert. Dann aber entschieden sich die Forscher für grünes Licht, „wir werden Glück brauchen“, sagte Stephan Ulamec.

Wie viel Zeit „Philae“ braucht, weiß niemand genau

Nun kann „Philae“ mit der Arbeit beginnen. Spektrometer ergründen die Bestandteile des Kometen, Detektoren registrieren Staubteilchen und Gase. Ein Bohrer nimmt Bodenproben auf der Suche nach organischem Material. Auch Forscher der Ruhr-Universität Bochum sind an der Mission beteiligt. Sie entwarfen ein Radarsystem, um das Kometeninnere zu untersuchen und damit neue Erkenntnisse über die Urmaterie unseres 4,6 Milliarden Jahre alten Sonnensystems zu gewinnen.

Wie viel Zeit „Philae“ bleibt, weiß niemand genau. Staub könnte seine Solarpaneele bedecken und die Energieversorgung lahmlegen. Eine Gasfontäne könnte den Würfel ins All schleudern. Am Ende aber wird „Philae“ beim Ritt auf dem Kometen, der auf die Sonne zurast, den Hitzetod sterben.