Bottrop. Mord nach 32 Jahren Ehe. Tatmotiv: Die Lebensversicherung und eine jüngere Freundin. “Der Gerichtsreporter“ rollt den Fall noch einmal auf.
Fast immer ist bei Mord und Totschlag der Täter im sozialen Umfeld des Opfers zu suchen. Nachbarn sind es, Freunde, Trinkkumpane. Und meistens ist es der Ehepartner oder Lebensgefährte, der dem Leben des einst so geliebten Menschen ein Ende setzt. Neid, Habgier oder Eifersucht zählen in den meisten Fällen zu den Triebfedern zwischenmenschlicher Gewalt. Geplant sind die wenigsten Tötungen, sondern fast immer spontan, Folge höchster Erregung. Der Bottroper Facharbeiter Erich W., heute dürfte er 78 Jahre alt sein, darf diese Entschuldigungsversuche für seine Person nicht in Anspruch nehmen.
Nach 32 Jahren Ehe plante er von langer Hand das gewaltsame Ende seiner Frau, spekulierte auf das Geld einer auf sie abgeschlossenen Lebensversicherung, hoffte auf die Zukunft mit seiner 37 Jahre jüngeren Freundin und bezahlte einen Killer. Die Rechnung stellte ihm das Essener Landgericht aus. Es verurteilte ihn am 17. Mai 1999 wegen Mordes zu lebenslanger Haft mit besonderer Schwere der Schuld.
Leichenfund in der Brandruine
Am 4. Februar 1998 fanden Feuerwehrleute die Leiche der 50 Jahre alten Elke W. in der Brandruine ihres Bottroper Bungalows, in dem sie mit Ehemann Erich, damals 56 Jahre alt, zusammengelebt hatte. Schnell ergaben die Ermittlungen, dass die Ehefrau nicht am Feuer gestorben war, sondern erwürgt wurde. Es gab Hinweise auf einen Raubmord. Von Anfang an überprüfte die Kripo aber auch den Ehemann nach der alten Regel, dass der Mörder ganz in der Nähe seines Opfers zu suchen ist. Kinder hatten die beiden, längst aus dem Haus.
Als Facharbeiter verdiente Erich W. sein Geld. Dafür musste er auch reisen, war oft auf Montage außerhalb des Ruhrgebietes. Ehefrau Elke hatte geholfen, das Familieneinkommen zu vermehren. Das war schon eher ungewöhnlich. Denn die 50-Jährige arbeitete im benachbarten Schermbeck im „Club 42“ als Bardame. Die Kripo vernahm Arbeitskolleginnen der Getöteten aus der Schermbecker Bar. Es ergab kein einheitliches Bild.
Ein unumstößliches Alibi
Verdächtig machte den Bottroper aber, dass er wenige Monate vor der Tat eine Hausratversicherung abgeschlossen hatte und zusätzlich eine Lebensversicherung auf den Tod seiner Ehefrau. Falls sie sterben sollte, hätte Erich W. umgerechnet über 100.000 Euro kassiert. Eine Summe, die 1998 weit mehr wert gewesen ist als heute. Aber eine Schwierigkeit verhinderte die schnelle Aufklärung des Mordfalls. Zur Tatzeit am 4. Februar lag Erich W. schon seit mehreren Tagen in einem Gladbecker Krankenhaus. Ein unumstößliches Alibi.
Verbrechen-Podcast „Der Gerichtsreporter“
In dem Podcast „der Gerichtsreporter“ geht es um echte Kriminalfälle aus der Vergangenheit, die im Gespräch zwischen der Moderatorin Brinja Bormann und dem Gerichtsreporter Stefan Wette lebendig werden.Jederzeit können die Hör-Beiträge von 20 bis 30 Minuten Länge über das Internet abgerufen werden. Zum Beispiel bei Spotify, bei Apple Podcasts und bei Deezer oder auch kostenlos auf der Homepage von „Der Gerichtsreporter“: www.der-gerichtsreporter.de. Auf der Videoplattform Youtube können Hörer Gerichtsreporter und Moderatorin auf dem Channel „Der Gerichtsreporter“ gleichzeitig sehen, sowie auf Instagram @der_gerichtsreporter. Alle zwei Wochen gibt es montags eine neue Folge. Die nächste erscheint am 1. Juni.
Die Kripo hatte recherchiert, dass Erich W. in einer Nebenstraße seines Hauses eine Garage angemietet hatte. Drinnen fanden die Beamten Erinnerungsstücke, Versicherungspolicen und das Familienstammbuch. Alles Dinge, die für den Besitzer unersetzlich waren und in einem Brand vernichtet worden wären. Als ob Erich W. die Flammen geahnt hätte. Aber an Hellseherei glauben erfahrene Ermittler nicht.
Klagen über Herzschmerzen
Das Alibi im Krankenhaus kam auf den Prüfstand. Anfang Februar hatte er sich selbst in das Gladbecker Krankenhaus begeben. Um eine Operation am Fuß bat er, die nach Einschätzung der Ärzte keineswegs dringend war. Durchgeführt wurde sie dennoch, 1998 achteten die Krankenkassen noch nicht so streng darauf, wer wie lange im Klinikbett lag. Am 3. Februar, einen Tag vor dem Tod seiner Ehefrau, gab es beim Patienten Erich W. noch eine Komplikation. Eigentlich hatte er entlassen werden sollen. Doch bei der morgendlichen Visite klagte der 56-Jährige über Herzschmerzen. So blieb er einen Tag länger, bekam sein Alibi. Erst nach dem Mord verließ er die Klinik.
Mordauftrag gestanden
Rasante Fortschritte machten die Ermittlungen, als sich Anfang März ein 32 Jahre alter Tscheche bei seiner heimischen Polizei meldete. Er habe wichtige Angaben zu einem Mordfall in Deutschland zu machen, in Bottrop. Anfang des Jahres habe er seinen Freund, einen ebenfalls 32-jährigen Tschechen, ins Nachbarland gefahren. Mittlerweile habe sein Freund ihm gestanden, dass es sich um einen Mordauftrag gehandelt habe. Umgerechnet 15.000 Euro habe der Freund für die Ausführung erhalten.
Die Tschechen nahmen den mutmaßlichen Killer fest, vernahmen ihn, ermittelten Hintergründe und übermittelten die Ergebnisse nach Deutschland. Von Arbeitskollegen des Ehemanns erfuhr die Mordkommission, dass Erich W. eine tschechische Freundin habe. Befragt, stritt er das ab. Und das Alibi geriet ins Wanken. Die Kripo hatte ermittelt, dass von einem Fernsprecher der Klinik am 3. Februar, einen Tag vor dem Mord, ein Telefonat in den Bungalow des Ehepaars geführt worden war. Das „Gespräch“ dauerte nur wenige Sekunden. Ermittler können aus einem solchen Indiz viel ableiten. Sie wussten mittlerweile, dass der Mord eigentlich schon in der Nacht zum 3. Februar hatte stattfinden sollen. Mit dem Anruf aus der Klinik hatte der Bottroper sich vom Erfolg der Aktion überzeugen wollen. Wie geschockt muss er gewesen sein, als seine Ehefrau sich meldete. Deshalb simulierte er bei der Visite kurz danach Herzschmerzen. Das Alibi musste stehen.
Haftbefehl vier Monate nach dem Mord
Die Fahnder sammelten weitere Indizien. 1996 lernte Erich W. in einer Bar die junge Tschechin Jana S. kennen. Erich W. ließ die 20-Jährige auf seine Baustellen nachreisen, finanzierte ihr einen Urlaub auf einer der kanarischen Inseln. Rund 15.000 Euro hat er in den wenigen Monaten in seine neue Liebe investiert. Aber die Scheidung nach 32 Jahren Ehe hätte ihn wohl ruiniert.
Auch da konnte die junge Freundin ihm helfen. Denn einer ihrer Freunde war ein 32 Jahre alter Zuhälter, der könne das Problem lösen. So kam es zum Kontakt von Killer und Auftraggeber. Fast vier Monate nach dem Mord, am 29. Mai 1998, erließ ein Amtsrichter Haftbefehl wegen Mordes gegen Erich W., zuvor kamen in Tschechien schon Jana S. und der Killer Zdenek P. in Untersuchungshaft. Erich W. verweigerte im Ermittlungsverfahren die Aussage, auch im Prozess vor dem Essener Schwurgericht schwieg der Facharbeiter zunächst. Am zweiten Prozesstag begann er jedoch zu erzählen. Er legte ein ungewöhnliches Geständnis ab.
Das ungewöhnliche Geständnis
Jetzt räumte er ein, mit der 20-Jährigen ein Verhältnis gehabt zu haben. Sie habe den Kontakt zum Killer vermittelt. In einem Kneipengespräch sei der Mordauftrag für 15.000 Euro vereinbart worden. Außerdem hätten sie den Tag festgelegt, an dem Elke W. umgebracht werden sollte. Keine vage Vereinbarung. Zehn Tage vor der Tat sei der Killer aus Tschechien in Bottrop erschienen. Er, Erich W. habe ihm den Bungalow gezeigt. Den Mordauftrag habe er dann aber zurückgezogen. Doch der Killer habe sich wohl vom Schmuck im Haus leiten lassen und auf eigene Rechnung die Frau überfallen. Die 15.000 Euro habe der Mann nie kassiert.
So schildert es auch der Killer. Zdenek P. will nie eingewilligt haben, einen Menschen umzubringen. Das Gespräch mit Erich W. bestätigt er. Es sei um die Hausratversicherung gegangen, um das Geld, das diese zahle. Von Mord sei nie die Rede gewesen, sagte Zdenek P.
Feuer sollte Spuren verwischen
So sei er in der Nacht zum 4. Februar in den Bottroper Bungalow eingedrungen. Als er im Badezimmer ankam, habe dort eine Frau in der Wanne gelegen. Er habe sie berührt und den Tod der Frau festgestellt. Zdenek P. will überrascht gewesen sein und plötzlich daran gedacht haben, dass er Spuren hinterlassen habe. Deshalb sein Entschluss, den Brand zu legen.
Ein Killer, der nie einen Mordauftrag erhalten haben will, und ein Ehemann, der den Mordauftrag zurückgezogen haben will. Das Essener Schwurgericht ließ sich davon nicht beeindrucken. Sein Urteil beruhte auf den Indizien und auf der Aussage des Tschechen, der den Killer zweimal nach Bottrop gefahren hatte.
Zusammenbruch nach Streit
Zwei Wochen später habe er in Tschechien mitbekommen, wie der Freund mit einem Deutschen gestritten habe. Offenbar sei es dabei um das Honorar von 15.000 Euro gegangen. Der Deutsche, das sei der Angeklagte Erich W. gewesen. Der tschechische Freund habe einen Zusammenbruch nach dem Streit erlitten und ihm die ganze Geschichte erzählt. Dass er die Frau getötet und in die Wanne gelegt habe. Dass er das Feuer gelegt und sich bei der Verpuffung selbst verletzt habe.
Dem Gericht reichte das. Keinen Zweifel gab es an der Schuld des Bottroper Facharbeiters. Die Kammer verurteilte ihn wegen des Mordauftrages. Lebenslange Haft, außerdem die besondere Schwere der Schuld. Damit sollte die vorzeitige Entlassung nah frühestens 15 Jahren Gefängnis ausgeschlossen werden. Richter Rudolf Esders sprach in der Urteilsbegründung von mehreren Mordmerkmalen: Niedrige Beweggründe, Habgier, Heimtücke und Mord zur Begehung des Versicherungsbetruges. Und er erinnerte daran, dass Erich W. den Ermittlern zunächst überzeugend den trauernden Witwer vorgespielt hatte.