Berlin. Tausende Menschen in Deutschland sind derzeit dringend auf ein Spenderorgan angewiesen. Doch nur eine Minderheit ist bislang zu einer Organspende bereit. Was laut Experten helfen würde.

Die Zahl der Menschen in Deutschland mit einem Organspendeausweis oder einer Patientenverfügung ist laut Experten noch immer viel zu gering. Aktuell liegt nur bei 15 Prozent der möglichen Organspender ein schriftlicher Wille vor, wie Axel Rahmel, Medizinischer Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), mitteilte.

In rund zwei Dritteln aller Fälle stünden die Angehörigen deshalb vor der Frage: Organspende ja oder nein? Angehörige seien bei dieser Abwägung dem mündlichen oder mutmaßlichen Willen des Verstorbenen verpflichtet oder müssten nach eigenen Wertvorstellungen entscheiden, sagte Rahmel anlässlich des Tags der Organspende am Samstag (1.6.).

„In der Ungewissheit geben sie in acht von zehn Gesprächen keine Zustimmung zur Organspende: Und das, obwohl die Mehrheit der Bevölkerung, laut Umfragen mehr als 80 Prozent, hinter der Organspende steht“, sagte Rahmel.

Wartelisten zeigen dringenden Bedarf

Welch großer Bedarf an Organspenden besteht, zeigt der Blick auf die Wartelisten von Eurotransplant. Ende April warteten laut der Organisation bundesweit mehr als 8300 Menschen auf ein Spenderorgan. Mehr als 6400 Fälle betrafen Patientinnen und Patienten, die auf eine Niere warteten.

Hoffnung macht der DSO das neue Online-Register zur Organspende. Seit Mitte März können Menschen unter www.organspende-register.de eintragen, ob sie nach ihrem Tod Organe spenden wollen oder nicht. Bis Ende Mai haben sich laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bereits mehr als 120.000 Menschen registriert.

Aus Sicht der DSO gab es in den ersten Tagen nach der Einführung viele Registrierungen. Doch nun nehme die Zahl nur noch langsam zu, sodass es nach derzeitigem Stand viele Jahre dauern würde, bis ein signifikanter Teil der Menschen in Deutschland ihren Willen im Register dokumentiert habe.

DSO-Vorstand Rahmel wirbt für mehr Aufklärung über das Portal. Denn nur, wenn möglichst viele Menschen ihren Willen im Register eintragen, könne das Portal auch eine wertvolle Ergänzung zu Organspendeausweis und Patientenverfügung sein.

„Kultur der Organspende fördern“

Zudem sieht die Deutsche Stiftung Organtransplantation im Register eine wichtige Grundlage für die mögliche Einführung der Widerspruchslösung. Bei dieser soll die Bereitschaft zur Organspende vorausgesetzt werden. Möchte jemand dies nicht, muss er dem widersprechen. Die Bundesländer Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen hatten zuletzt eine Bundesratsinitiative für ein entsprechendes Gesetz angekündigt. 2020 war ein erster Anlauf für ein solches Gesetz im Bundestag gescheitert.

„Die Widerspruchslösung könnte helfen, eine Kultur der Organspende zu fördern, wie sie uns andere Länder bereits voraushaben“, sagte DSO-Vorstand Rahmel. „Sie wäre ein klares Signal, dass Gesellschaft und Politik hinter der Organspende stehen, und würde eine Basis für einen positiven und selbstverständlichen Umgang mit dem Thema Organspende schaffen.“