Bonn. Für einige sind sie faszinierende wilde Tiere, andere sehen in ihnen eine große Gefahr für Hunde, Schafe und andere Haustiere: Die Wölfe sind zurück in Deutschland. Die größte Gefahr für die Tiere ist der Straßenverkehr.

Das Bundesamt für Naturschutz hat in einer bisher einzigartigen Studie das Wanderverhalten der Tiere per GPS erkundet

Mona liebt ihre Familie. Während Bruder Alan sich auf eine einjährige, knapp 1600 Kilometer weite Erkundungstour Richtung Weißrussland aufmacht, Autobahnen überquert, die Weichsel und Oder durchschwimmt, bleibt Mona der „Pension Mama“ treu. „Vielleicht spekuliert sie darauf, das Rudel zu übernehmen“, sagt Professor Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN).

Mona und Alan sind zwei von sechs Wölfen, die 2009 in der sächsischen Lausitz mit GPS-Sendern ausgestattet wurden. „Es ist die erste Studie in Mitteleuropa, bei der die Wanderbewegungen mittels Satellit verfolgt und der Aufenthalt von Wölfen in ihrem Territorium untersucht wurden“, erläutert Jessel.

Im Jahr 2000 kamen die ersten Wölfe aus Polen

Die sächsische Lausitz ist Deutschlands Top-Wolfspot. Hierhin haben sich im Jahr 2000 die ersten ihrer Art „rüber gemacht“, von Polen kommend. Genau 100 Jahre, nachdem der letzte Wolf in der Lausitz abgeschossen wurde, kehrte Isegrim zurück. „Unaufhaltsam, mit einer stark ausbreitenden Tendenz“, so Jessel. Zwölf Rudel mit jeweils fünf bis zehn Tieren sowie einige Einzelpaare leben inzwischen wieder im Osten Deutschlands, 130 Welpen wurden in den letzten zehn Jahren geboren, „alles potenzielle Rudelgründer“.

Theoretisch sei eine rasche Ausbreitung möglich. Auf kurz oder lang könne der Wolf vor jeder Haustür auftauchen. Theoretisch. Denn eigentlich mag der Wolf den Menschen nicht. „Er liebt Lebensräume, in denen er sich zurückziehen kann, wo er seine Ruhe hat“, sagt Jessel. In Nordrhein-Westfalen wären typische neue Wolfs-Reviere der Teutoburger Wald oder die Eifel.

Wann er beim Herrmann oder am Rursee sein Territorium markieren wird, mag niemand im BfN vorhersagen. Klar hingegen sind andere Fakten. Wölfe sind sozusagen Individualisten. Sie können, müssen aber nicht, mehr als 70 Kilometer am Tag zurücklegen. Karl, zum Beispiel, der Bruder von Alan: Während Alan es bis Weißrussland schaffte, wanderte Karl gerade mal bis vor die Tore Berlins. Schlappe 400 Kilometer im Vergleich zu knapp 1600. Auch beim Raumbedarf haben Wölfe gänzlich unterschiedliche Ansprüche. „Zwischen 49 und 375 Quadratkilometer wurden von ihnen genutzt, was einer durchschnittlichen Territoriumsgröße von 172 Quadratkilometern entspricht“, sagt Jessel.

Wölfe sind sehr anpassungsfähig

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Wölfe, deren Lieblingsspeise Rehe und junge Wildschweine sind, brauchen keine Wildnis, kein reines Waldgebiet. „Sie können sich an eine Vielzahl unterschiedlicher Lebensräume anpassen“.

So habe „Einauge“, ein etwa zehnjähriges Weibchen, nur 350 Meter von einer befahrenen Bundesstraße entfernt, in einer Höhle ihre Jungen aufgezogen. Apropos Straße: Die natürlichen Feinde des Wolfes in Deutschland sind Autos und Jäger. Von 2000 bis heute starben 17 Tier bei Autounfällen. „Das ist ein beträchtlicher Gefährdungsfaktor für die junge und immer noch vom Aussterben bedrohte Population.“

"Der Wolf ist keine Bestie"

Den Jägern, die durch die Rückkehr des Wolfes ihre Jagdpfründe gefährdet sehen, kann man 13 illegal abgeschossene Tiere seit 1990 ankreiden. Allerdings sei die Dunkelziffer hoch. „Jäger wissen, dass die Tiere geschützt sind, dass der Abschuss als Straftat angezeigt wird“, so Jessel.

Jessel plädiert für Aufklärung auf breiter Front. Der Wolf sei keine wilde Bestie, wie sie die Gebrüder Grimm in den Köpfen vieler Menschen manifestiert haben. Er sei allerdings auch kein Kuscheltier, dass kleine Kinder wie Romulus und Remus liebevoll aufzieht. „Er ist ein wildes Tier“, sagt sie. Ein faszinierendes Individuum.