Düsseldorf/Krefeld. . Nach tödlichen Beißattacken ist eine hitzige Debatte über Listenhunde entbrannt. Eine Hundetrainerin fordert Kontrollen für alle Rassen.

Mit hohem Tempo läuft die junge Bullterrier-Dame „Sola“ über eine Wiese im Krefelder Stadtteil Gellep-Stratum. Die schmalen Augen sind zusammengekniffen, der Blick ist geradewegs auf Simone Kühl gerichtet. Als die Hündin die 37-Jährige Düsseldorferin erreicht, springt sie ungestüm an ihr hoch. „Sola“ ist ein Miniatur-Bullterrier, 14 Monate jung, rund 34 Zentimeter klein – und ziemlich verspielt. Probleme hat sie noch nie gemacht, trotzdem könnte sie, sollte sie noch zwei Zentimeter wachsen, unter die Kategorie der Listenhunde fallen. Die stehen derzeit im Zentrum einer Debatte über sogenannte Kampfhunde und den Umgang mit ihnen.

Auch interessant

Innerhalb weniger Tage haben zwei Hunde Anfang April drei Menschen in Deutschland getötet. In Hannover starben ein junger Mann und seine Mutter durch Bisse ihres Staffordshire-Mischlings. Am Montag wurde das Tier eingeschläfert.

Wenige Tage später kam ein Baby in Hessen ums Leben. Der Hund soll das Kind in den Kopf gebissen haben. Seit den Vorfällen ist wieder die Rede von Rasselisten und Sachkundeprüfungen. Das ärgert Hundetrainerin Simone Kühl.

Hitzige Debatte über Listenhunde

Die 37-Jährige behandelt jede Hunderasse gleich, glaubt nicht, dass von Listenhunden eine höhere Gefahr ausgeht als von anderen Rassen. „Letztlich kommt es auf den Umgang mit den Hunden und auf die Erziehung an“, sagt Kühl. Auch das Training in ihrer Hundeschule läuft für alle Hunde gleich ab.

Diese Hunderassen gelten als "Kampfhunde"

weitere Videos

    Zu den Listenhunden zählen in NRW die Rassen Pitbull Terrier, Bullterrier, Staffordshire Bullterrier und American Staffordshire Terrier, sowie Kreuzungen daraus. In anderen Bundesländern gelten zum Teil andere Regelungen. Für diese Rassen gilt ein bundesweites Importverbot.

    Lange Liste Auflagen für Hundebesitzer

    Die Trainerin führt Hündin Sola über die Wiese, auf einen Tisch, lässt sie „Sitz“ und Platz“ machen und über ein kleines Hindernis springen. Das meistert die Miniatur-Bullterrier-Dame mit Bravour. Nur den Sprung durch einen Autoreifen verweigert sie. Von aggressivem Verhalten, bedrohlichen Situationen – keine Spur.

    Trotzdem, so Simone Kühl, hätten es Besitzer von Listenhunden im Alltag nicht leicht mit ihren Schützlingen. Unabhängig davon, welches Verhalten sie an den Tag legen. Die groß gewachsene blonde Frau ist Besitzerin eines Staffordshire-Mischlings, kennt die behördlichen Auflagen genauso wie die Vorbehalte vieler Menschen auf der Straße: „Zu Hause müssen die Zäune hoch genug sein, Türklinken müssen so montiert werden, dass ein Hund sie nicht selbstständig öffnen kann“, sagt Kühl. Und im Alltag? Da müsse man häufig mit Anfeindungen leben, kritische Blicke und auch mal einen Spruch ertragen.

    Kurze Pause vom Hundetraining: Hündin Sona mit anderen Hunden auf der Trainingswiese in Krefeld.
    Kurze Pause vom Hundetraining: Hündin Sona mit anderen Hunden auf der Trainingswiese in Krefeld. © Morris Willner

    Über solche Probleme scheint sich Sola keine Gedanken zu machen: Die Hündin mit den verschiedenfarbigen Ohren flitzt zwischen ihrer Besitzerin Monica und den anderen Hunden auf der Wiese umher. „Hunde wissen nicht, wie groß sie sind“, sagt Kühl. Die Hündin ahnt nicht, welche Auflagen auf sie zukämen, wäre sie nur ein kleines bisschen größer. Denn:

    Für die Haltung eines sogenannten Kampfhundes können gesetzliche Auflagen gemacht werden. Beispielsweise dürfen viele Listenhunde nur von volljährigen Personen gehalten werden, unter Umständen müssen diese ein Führungszeugnis vorlegen und eine Sachkundeprüfung ablegen. Teilweise werden Halter verpflichtet, das eigene Grundstück zu umzäunen, damit der Hund nicht entlaufen kann. Für die Hunde werden höhere Steuerabgaben veranschlagt. Die Hunde müssen sich außerdem einem Wesenstest unterziehen.

    64 Todesopfer in 17 Jahren

    Jährlich sterben in Deutschland im Schnitt drei bis vier Menschen an Hundebissen oder nach Hundestößen. Das Statistische Bundesamt zählte von 1998 bis 2015 insgesamt 64 Todesopfer. Beim Blick auf die Statistiken (Stand 2016) des NRW-Umweltministeriums fällt auf: Im Jahr 2016 gingen von Staffordshire Bullterriern, Pitbull Terriern und Bullterriern keinerlei Beißvorfälle gegen Menschen aus. Häufiger bissen Dobermänner und Schäferhunde zu – die zählen allerdings nicht zu den gefährlichen Hunden.

    Hundetrainerin Simone Kühl hat keine Erklärung dafür, warum es bei gewissen Hunderassen spezielle Kontrollen gibt, bei anderen nicht. „Die Kontrollen sollten einheitlich sein“, meint die 37-Jährige. Denn: „Dass ein Hund beißt, kann man niemals ausschließen.“ Und: „Alle großen Hunde sind dazu in der Lage einen Menschen zu töten“, sagt die 37-Jährige. Wie können zukünftige Fälle also verhindert, oder zumindest unwahrscheinlicher gemacht werden?

    Vor dem Kauf einen Experten aufsuchen

    Bevor Menschen sich einen Hund aussuchen, sei es sinnvoll, einen Experten aufzusuchen. Wesenstests gäbe es nur einmal im Hundeleben, das sei zu wenig. Außerdem sollten unerfahrene Hundebesitzer keinen Hund mit unbekannter Vorgeschichte aus dem Tierheim bei sich aufnehmen. Und: „Ein verpflichtendes Training für Besitzer und Hund wäre durchaus sinnvoll.“